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Martin Scherer: „Das konnte niemand ahnen“

Vor einem Jahr hat er Gauck reden hören - und war begeistert. Nun bringt er das Buch des nächsten Bundespräsidenten auf den Markt. Ein Porträt.

Martin Scherer saß vor dem Fernseher und schaute den Polizeiruf im Ersten, als ihm dämmerte, dass er vielleicht gerade dabei war, das Buch seines Lebens herauszubringen. Joachim Gauck soll Bundespräsident werden, stand in den Untertiteln, die die ARD einblendete. Gaucks neues Buch, „Freiheit: Ein Plädoyer“, sollte am nächsten Tag bei Kösel erscheinen. Scherer ist der Chef des Verlags.

Bei dem Traditionsverlag aus München, der heute zur Bertelsmann-Tochter Random House gehört, arbeiten 30 Mitarbeiter. Sie veröffentlichen Sachbücher aus Religion und Gesellschaft, eher keine Bestseller. Auch von dem neuen Gauck hat Scherer sich nicht viel erwartet. „Wir dachten, wenn wir im ersten Jahr 10.000 Exemplare verkaufen, ist das gut“, sagt er. Schon am ersten Verkaufstag hat der Buchhandel nun mehr als 25.000 Bücher bestellt. Bis Freitag lässt Scherer noch einmal 20.000 Exemplare nachdrucken. „Das sind Tage mit Fortune“, sagt Scherer.

Er ist ein ruhiger Mann, ein studierter Philosoph. Er bewundert Gauck, seit er ihn vor genau einem Jahr in Tutzing hat reden hören. Gauck, der gescheiterte Präsidentschaftskandidat, hielt einen Vortrag an der Evangelischen Akademie. Es ging um die Freiheit, die ein Geschenk ist. Die Worte hätten ihn nicht nur berührt, sagt Scherer, sie hätten ihm die Augen geöffnet. Er war noch nicht lange bei Kösel, und er wusste, diese Rede würde in sein Programm passen.

Gauck, der 50 Jahre lang in einer Diktatur gelebt habe, gebe dem Wort Freiheit den Glanz zurück, den es in unserer Gesellschaft verloren habe, sagt Scherer. „Wir reden nur noch über Sicherheit und wissen die Freiheit nicht mehr zu schätzen.“ Als Verleger muss er das wissen. Bei all den Büchern über Burn-out oder Selbstmanagement kann man den Eindruck gewinnen, dass den Menschen die Freiheit zur Last geworden ist.

Ursprünglich sollte das Buch im März herauskommen. Doch als Christian Wulff in Misskredit geriet und immer wieder der Name Gauck fiel, habe ihn der Buchhandel gedrängt, das Buch früher zu bringen. Doch dass sich die Fraktionschefs ausgerechnet an diesem Sonntag auf Gauck einigen würden, „das konnte niemand ahnen“, sagt Scherer.

Für den Kösel-Verlag ist es nicht der erste Zufallstreffer. 2000 veröffentlichte Joseph Ratzinger dort die „Einführung in das Christentum“. Heute ist er Papst. Sein Buch hat sich 180.000-mal verkauft.

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