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Meinung: Mazedonien-Einsatz: Frontenwechsel

Es ist immer noch eine seltsame Konstellation: Joschka Fischer spricht für einen deutschen Militäreinsatz in Mazedonien, Volker Rühe dagegen. Wer die Dynamik in der gestrigen Bundestagsdebatte verstehen will, muss sich einige Jahre zurückversetzen.

Von Hans Monath

Es ist immer noch eine seltsame Konstellation: Joschka Fischer spricht für einen deutschen Militäreinsatz in Mazedonien, Volker Rühe dagegen. Wer die Dynamik in der gestrigen Bundestagsdebatte verstehen will, muss sich einige Jahre zurückversetzen. Damals sperrten sich SPD und Grüne mit aller Macht gegen die Bemühungen von Union und Liberalen, den Abschied von der Nachkriegszeit zu vollziehen und die Bundeswehr auch im Ausland einsatzfähig zu machen. Und die Vertreter jener Parteien, die damals Alarm schlugen, halten nun der Union Unzuverlässigkeit und Verantwortungslosigkeit vor, weil sie sich dem deutschen Beitrag für eine Nato-Aktion in Mazedonien verweigern will. Das empört Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe zu Recht.

Aber in der Politik geht es selten gerecht zu, und noch so große frühere Verdienste bewahren niemanden vor schlimmen Fehlern in der Gegenwart. Deshalb ist die Strategie der Verweigerung zum Scheitern verurteilt, zu der sich die Union mit Hinweis auf die Unterfinanzierung der Bundeswehr entschlossen hat: Im Ernstfall wird sie zustimmen, sie kann gar nicht anders.

Geschickt hat Schröder erst die Liberalen versöhnlich gestimmt und damit nebenbei ein Signal an die zögernden Grünen gesandt, dass da ja ein anderer bereit steht. Vor die Machtfrage gestellt, werden auch viele grüne Kritiker militärischer Einsätze weich. Damit ist die Union isoliert. Im Bundestag ist nur noch die PDS dafür, dass sich die Bundeswehr raushalten solle, wenn es darum geht, mit Nato-Soldaten einen politischen Ausgleich in Mazedonien zu sichern.

Diese politische Konstellation bekommt fast einen tragischen Zug, denn das zentrale Argument der Union ist richtig: Die Bundeswehr hat zu wenig Geld und ist damit nicht eingerichtet auf jene Aufgaben, die ihr die Regierung nun zuweist - zumindest nicht auf Dauer. Aber weil die Union dieses richtige Argument in der falschen Situation einsetzt, bringt sie die Regierung nicht in Schwierigkeiten. Die Opposition mag tausendmal versichern, sie zeige mit der Nachforderung Bündnistreue: Dass Deutschland die gefährliche Aufgabe anderen überlässt, nur weil Personal und Material knapp sind, wird kein Nato-Partner akzeptieren.

Es ist wahrscheinlich, dass der Einsatz länger dauern wird und gefährlicher wird, als die Regierung das bisher ausspricht. Fischer nennt seit gestern eine "belastbare Grundsatzvereinbarung zur politischen Lösung" in Mazedonien als Voraussetzung. Das Wortungetüm kann die Erfahrung nicht vergessen machen, dass Konfliktparteien in den bisherigen Balkankonflikten sich nur immer dann an die von ihnen unterschriebenen Vereinbarungen gehalten haben, wenn sie dazu gezwungen wurden.

Auch widerspricht die Logik des Nato-Vorhabens der bisherigen Wirkung von Einsätzen auf dem Balkan, bei der, wie etwa im Kosovo, ein anfänglich massives militärisches Auftreten so viel pazifizierende Wirkung hatte, dass nachher eine Reduzierung der Truppenstärke von 60 000 auf 30 000 möglich wurde. Die Massivität war die Voraussetzung der Deeskaltion.

Wenn der begrenzte Auftrag, zu dem sich die Nato entschließen wird, nicht gelingt, können sich die Soldaten nicht einfach zurückziehen. Auch zu einer Ausweitung, wenn sie denn kommen sollte, würde ein deutscher Beitrag gefragt sein. Fischer hat dies angedeutet und von "politischem Realismus" gesprochen. Sein Realismus aber wird ihm sagen, dass dann nicht nur die Opposition, sondern das eigene Lager rebellisch wird. Diese Gefahr muss eingehen, wer tatsächlich außenpolitische Verantwortung tragen will.

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