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Meinung: Mehr statt weniger Feiertage!

Wer Wachstum will, muss mehr Sozialkapital schaffen

Von Gert G. Wagner Die zur kurzfristigen Rettung des Bundeshaushalts von der Bundesregierung losgetretene Debatte um die Streichung eines Feiertags – nach dem Nationalfeiertag am 3. Oktober kamen der Pfingstmontag und der 1. Mai ins Gespräch – war in jeglicher Hinsicht schräg.

In Deutschland muss aufgrund der Alterung der Bevölkerung die Lebensarbeitszeit steigen – wir müssen also später in Rente gehen. Dadurch spart die Rentenversicherung Geld. Eine Erhöhung des Rentenzugangsalters ist nicht einfach durchzusetzen, und deswegen sind Signale, die diese Politik vorbereiten, nicht nur sinnvoll, sondern überfällig. Aber die Streichung eines Feiertags wäre ein äußerst merkwürdiges Signal.

Falls die Tarifparteien es als ökonomisch sinnvoll ansehen, die Jahresarbeitszeit zu erhöhen, können sie das zum Beispiel durch die Streichung eines Urlaubstages unschwer erreichen. Oder schlicht und einfach geringere Lohnsteigerungen tariflich vereinbaren. Ob niedrigere Arbeitskosten gegenwärtig der Konjunktur helfen würden und damit Hans Eichel mehr Steuereinnahmen bescheren (das war das Ziel des Vorschlags), ist allerdings offen. Denn die Nachfrageschwäche wird nicht beseitigt und die weltmeisterliche Exportwirtschaft hat – im Durchschnitt – Kostensenkungen gar nicht nötig. Mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit könnte allerdings hilfreich sein, wenn sie hilft, dass Betriebe, die viel Aufträge haben, Personalengpässe kostengünstig überwinden können. Aber mehr Flexibilität hat nichts mit einer Erhöhung der Jahresarbeitszeit zu tun.

Wenn zu viele Feiertage eine unvertretbare Belastung für die Betriebe wären, dann könnte es auch Bayern innerhalb Deutschlands ökonomisch nicht überdurchschnittlich gut gehen. Denn Bayern hat drei Feiertage mehr als die protestantischen Bundesländer Berlin und Bremen – und in überwiegend katholischen Gemeinden kommt in Bayern mit Maria Himmelfahrt sogar noch ein vierter Feiertag hinzu.

Die entscheidende Basis für Wirtschaftswachstum liegt offensichtlich nicht in möglichst niedrigen Arbeitskosten, sondern in Rahmenbedingungen für eine möglichst hohe Produktivität. Und dafür braucht man auch „Sozialkapital“, also die „Vernetzung“ von Menschen. Und genau dafür sind viele Feiertage hilfreich.

Schaut man sich im Ausland um, kann man sogar die Frage stellen, ob wir nicht zu wenig statt zu vieler Feiertage haben. In Deutschland stehen den Beschäftigten im Durchschnitt 28 Arbeitstage Jahresurlaub zu, es gibt aber nur neun bundesweite Feiertage. Davon fallen etliche immer wieder auf einen Sonntag oder Samstag, stellen also keine zusätzliche Mußestunden dar. Ganz anders ist das ausgerechnet in den USA: Hier wird zwar nur rund die Hälfte des deutschen Jahresurlaubs gewährt, die USA haben jedoch mit zehn nationalen Feiertagen einen mehr als wir in Deutschland. Davon werden fünf Feiertage per Gesetz immer auf Montage gelegt, etwa der „Labour Day“, damit auf jeden Fall ein verlängertes Wochenende entsteht.

Feiertage dienen wie der Urlaub der Erholung, aber Feiertage haben gegenüber Urlaubstagen den Vorzug, dass sie – da alle gleichzeitig Freizeit haben – eher genutzt werden, um gesellig mit Nachbarn, in Vereinen und auch Kirchengemeinden zusammenzukommen. Wie gesagt: neuerdings nennt man das die Schaffung von Sozialkapital, das als Schmiermittel auch für Wirtschaftswachstum nützlich ist.

Gert G. Wagner ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Vorsitzender der Kammer für Soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland.

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