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Die Parteien laufen den Meinungen hinterher.

© dapd

Meinungsgleichheit: Alle sind bio und gegen Atomkraft

Deutschland wird von einer Einheitspartei neuen Typs regiert, den liberalen Sozialökologen. CDU, SPD, Grüne etcetera sind inzwischen das Gleiche wie Saturn, Media Markt und Karstadt. Sie liefern, was der Kunde haben möchte. Ein Kommentar.

Alle sagen das Gleiche. Seit vergangener Woche sind alle Parteien gegen Atomkraft, wahrscheinlich auch die Rentnerpartei. Alle sind für Frauenquoten, alle sind gegen das Rauchen. Alle sind für Umwelt- und Klimaschutz, alle sind links, alle sind bio und gegen Westerwelle, alle sind dafür, dass die hier lebenden Ausländer Deutsch lernen, alle sind für Chancengleichheit. Alle sind für mehr Bildung und für weniger Fleischverzehr.

Ich könnte stundenlang weitermachen. Vielleicht gibt es Defizite bei der Chancengleichheit und bei der Meinungsfreiheit, aber eines steht fest: Wir haben in Deutschland die Meinungsgleichheit voll verwirklicht. Und es ist ja so, dass auch ich etliche dieser Meinungen teile, auch ich bin beispielsweise gegen Atomkraftwerke, für Gemüsedöner und gegen Batteriehühner. Ich bin halt sehr deutsch. Gleichwohl stelle ich in mir eine wachsende Sehnsucht nach Meinungsvielfalt fest, wozu hat man eine Demokratie. Ich würde es schön finden, wenn mal jemand auftritt und sagt: „Die Türken in Deutschland dürfen türkisch sprechen. Ein Türke darf das.“ Oder: „Ich war immer für Atomkraft und bleibe dabei.“ Ich würde das begrüßen, obwohl ich diese Ansicht nicht teile.

Deutschland wird von einer Einheitspartei neuen Typs regiert, den liberalen Sozialökologen. Warum ist dies so? Weil die Parteien sich von politischen Vereinigungen in Unternehmen verwandelt haben, die um Marktanteile kämpfen. CDU, SPD, Grüne etcetera sind inzwischen das Gleiche wie Saturn, Media Markt und Karstadt. Sie liefern, was der Kunde haben möchte, alle bieten die gleichen Smartphones an. Es geht eigentlich nur darum, wer den günstigsten Preis und den besten Service bietet. Wenn ein Produkt vom Kunden nicht angenommen wird, nehmen sie es vom Markt. Falls die Mehrheit der Deutschen zum Buddhismus konvertiert, dann benennt die CDU sich halt um in BDU.

Das wäre keine Katastrophe. Was aber, wenn die Mehrheit sich irrt? Was, wenn die Mehrheit auf einem falschen Trip ist? Wenn jetzt alle der Mehrheit hinterherlaufen, dann würden sie es bei anderen Gelegenheiten wohl auch tun. Es war früher beruhigend, zu wissen, dass die FDP ein Faible für Freiheit hat, oder dass die Grünen für Gemeinschaftsschulen sind. In Baden-Württemberg ist die Mehrheit gegen solche Schulen, folglich wollen die Grünen es auch nicht mehr. Die Parteien laufen den Meinungen hinterher, sie haben selber keine Meinung und sind deshalb im Sinne des Grundgesetzes überflüssig. Mein Vorschlag: Lasst das Land von Saturn verwalten oder vom Media Markt, veranstaltet zu den wichtigen Problemen Meinungsumfragen, macht „Geil ist geil“ zur Nationalhymne, und für das gesparte Geld werden in der Nordsee Windkraftwerke gebaut.

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