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Merkel und Athen: Schluss mit den kleinen Schritten

Die Bevölkerung verliert allmählich den Glauben, dass das bisherige Rezept zur Lösung der Griechenland-Krise nach dem Motto "Fordern und Fördern" auf lange Sicht tatsächlich hilft. Auf mittlere Sicht hilft das jetzige Durchwursteln nicht weiter.

Sommer und Griechenland – bis vor eineinhalb Jahren hatte dieses Wortpaar wohl für die meisten Menschen in Deutschland einen guten Klang. Ruhe, Entspannung, Musik – all die Attribute, die Wohlstandsbürger aus dem Norden Europas sonst gerne mit dem Urlaub im Süden unseres Kontinents verbinden, sie zählen in diesen Tagen nicht mehr viel. Griechenland, das heißt Krise, und man wünscht sich, sie wäre demnächst vorbei. Zu Recht erwarten die Bürger von der Politik ein deutliches Zeichen, das ihnen ein baldiges Ende der Euro-Krise signalisiert. Doch vom EU-Gipfel sind sie enttäuscht worden. Dort waren wieder nur die üblichen Beschwichtigungen zu hören: Die Griechen müssen sich anstrengen, dann bekommen sie auch neues Geld von ihren europäischen Partnern. Alles wird gut – irgendwann.

Allerdings verliert die Bevölkerung allmählich den Glauben, dass das bisherige Rezept zur Lösung der Griechenland-Krise nach dem Motto „Fordern und Fördern“ auf lange Sicht tatsächlich hilft. Kann wirklich jemand garantieren, dass das neue milliardenschwere Griechenland-Hilfspaket das letzte bleibt? In der Ungewissheit tun sich zwei Möglichkeiten auf: Entweder die reichen Staaten im Norden der EU lassen Griechenland pleitegehen – oder sie wagen den Einstieg in die Transferunion.

Stattdessen haben Europas Staatenlenker wieder einen Weg beschritten, der zwischen beiden Lösungen liegt und ins Ungefähre führt. Der Gipfel endete mit einem typisch europäischen Kompromiss. Dazu gehören der Appell an den griechischen Oppositionsführer Antonis Samaras, das Sparpaket in seiner Heimat zu unterstützen, und die Aussicht auf weitere Hilfsleistungen. Sie sollen sicherstellen, dass aus diesem griechischen Sommer kein europäischer Alptraum wird. All das sind Trippelschritte, und Angela Merkel ist die Meisterin der Trippelschritte. Aber das reicht nicht.

Gewiss kann man der Kanzlerin zugutehalten, dass in Brüssel so lange keine großen Entscheidungen anstehen, wie der griechische Premierminister Giorgos Papandreou sein Sparpaket nicht durchs Parlament gebracht hat. Auch Merkels Bemühen, gemeinsam mit Nicolas Sarkozy eine Beteiligung privater Gläubiger am zweiten Griechenland-Hilfspaket sicherzustellen, war strategisch richtig gedacht. Es ist der Versuch, den Griechen für die nächsten drei Jahre Luft zum Atmen zu verschaffen und gleichzeitig die heimische Koalition in Berlin zusammenzuhalten.

Ehrlicher wäre aber das Bekenntnis gegenüber der eigenen Partei, dem Koalitionspartner und der Bevölkerung, dass an der Transferunion letztlich kein Weg mehr vorbeiführt. Wenn die Griechen auf lange Sicht wirklich wieder auf die Beine kommen sollen, brauchen sie einen dauerhaften Ausgleich, der über das gegenwärtige System der Kredithilfen hinausgeht. Auch im Europaparlament hat sich längst parteiübergreifend die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine wirtschaftliche Genesung Griechenlands über ständig neue Sparauflagen und laufend erneuerte Kredithilfen nicht zu erreichen ist. Es muss Transfers geben, die zulasten des reichen Nordens gehen – beispielsweise über die Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen.

Griechenland muss nicht ewig am Tropf der EU hängen. Aber auf mittlere Sicht hilft das jetzige Durchwursteln nicht weiter. Wenn die Euro-Zone auch noch in den nächsten Jahren Bestand haben soll, muss sich Kanzlerin Merkel dazu durchringen, ihren Wählern diese Einsicht zu vermitteln.

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