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Merkel, Wulff und Sarrazin: Fröhlich verwickelt

Persönliche, parteipolitische und strukturelle Abhängigkeiten rächen sich in der Affäre Sarrazin. Die gesamte Staatsführung läuft nun Gefahr, juristisch vorgeführt zu werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Bundesbank großen Respekt gezollt, für ihre „unabhängige Entscheidung“, Thilo Sarrazin abzuberufen. Dabei braucht man längst eine bunte Grafik, um die komplizierten politischen Abhängigkeiten deutlich zu machen, durch die aus einem Buch eine Staatsaffäre wurde.

Thilo Sarrazin kam zur Bundesbank, weil der Berliner Regierende Bürgermeister seinen Finanzsenator versorgen wollte. Das richtige Parteibuch wog mehr als die Einwände der Bundesbank gegen die Personalie. Bundesbankchef Axel Weber wiederum braucht die Unterstützung der Bundeskanzlerin – und auch die der SPD –, um wie geplant der nächste Chef der Europäischen Zentralbank zu werden. Es wäre für seine Karriere vermutlich wenig hilfreich, wenn er dem Drängen der Kanzlerin und des Finanzministers, Sarrazin abzuberufen, nicht nachgekommen wäre. Bundespräsident Christian Wulff schließlich verdankt der Bundeskanzlerin seinen Job.

Diese persönlichen, parteipolitischen und strukturellen Abhängigkeiten rächen sich nun. Sie waren möglicherweise der Grund, dass sich Kanzlerin, Bundesbank und Bundespräsident fröhlich ermunterten, Sarrazin loszuwerden – statt sich gegenseitig zu überprüfen. Jetzt, da es um die Suche nach guten Gründen für diese Entscheidung geht, ist die Not so groß, dass sich der eher voreilige als unabhängige Bundespräsident Hilfe suchend an die Bundesregierung wendet. Eine Folge dieser Abhängigkeiten ist es also, dass sich die gesamte Staatsführung erschreckend leicht in die Affäre verwickeln ließ und nun Gefahr läuft, juristisch vorgeführt zu werden.

Die SPD hob Sarrazin ins Amt, weil es ihr gerade so passte; und die CDU machte Wulff zum Bundespräsidenten, weil es ihr gerade so passte. Bei beiden Entscheidungen ging es nicht um die Maximierung von Unabhängigkeit, sondern vielleicht sogar um das Gegenteil. Die Affäre Sarrazin hat schon jetzt gezeigt, wie gefährlich es ist, in der Demokratie auf Unabhängigkeit zu verzichten. So verschwinden nämlich die Kontrollmechanismen.

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