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Meinung: Misstrauen und Mehrwertsteuer Alle wollen sie, keiner sagt es – und die Bürger rechnen eh damit

Ein bisschen eigenartig ist die Sache schon. Wieder einmal gibt es Gerüchte um eine Mehrwertsteuererhöhung.

Ein bisschen eigenartig ist die Sache schon. Wieder einmal gibt es Gerüchte um eine Mehrwertsteuererhöhung. Wieder einmal weist Finanzminister Hans Eichel sie mit Abscheu und Empörung zurück. Wieder einmal stellt sich das SPD-Präsidium hinter den Finanzminister und sagt, dass es keine Mehrwertsteuererhöhung geben wird. Wieder einmal wider besseres Wissen.

Peinlich genug, dass gleichzeitig ausgerechnet ein Ministerpräsident der CDU sagt, man könne ja mal reden. Über die Mehrwertsteuererhöhung. Dumm auch, dass eine Mehrwertsteuererhöhung wahrscheinlich ist – jedenfalls dann, wenn es nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen zu einer Verständigung zwischen Christ- und Sozialdemokraten über die künftige politische Entscheidungsfindung kommt.

Bei der Mehrwertsteuer ist nämlich im Gegensatz zu den meisten anderen Steuerplänen eine schnelle Einigung zwischen der sozialdemokratischen Bundesregierung und der christdemokratischen Ländermehrheit im Bundesrat möglich: Von dem Aufkommen dieser Steuer profitieren nämlich beide Seiten – und beide brauchen Geld. Außerdem wird das Steueraufkommen aus den direkten Steuern sukzessive weiter zurückgehen: Das ist ein allgemeiner Trend, der in allen Ländern wirkt, In Deutschland wird er vermutlich noch stärker ausfallen, weil hier die direkten Steuern immer noch vergleichsweise hoch sind.

Und weil hier finanzpolitische Einzelentscheidungen das Gesamtgefüge immer wieder verändern, ohne dass dies vorher recht bedacht worden ist: Wird etwa die Abgeltungssteuer eingeführt, wird es eine Drift zwischen steuerpflichtigen Einkommen und Kapitaleinkünften geben. So vernünftig die Abgeltungssteuer im Prinzip ist, die Kapitalerträge demnächst mit einer Pauschalsteuer von 25 Prozent belegen wird: Solange die Spitzensätze der Einkommensteuer bei über vierzig Prozent liegen, werden Steuervermeider versuchen, einen möglichst großen Teil ihres Einkommens zu Kapitaleinkünften zu machen. Zum Beispiel, indem sie Anleihen der Unternehmen zeichnen, von denen sie Geld zu bekommen haben. Damit wird der ohnehin schon vorhandene Druck auf die direkten Steuern weiter zunehmen, Bund und Länder müssen immer stärker auf indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer zurückgreifen, um ihre Finanzierungsbasis zu erhalten.

Das wissen alle. Das weiß auch Hans Eichel. Und doch dementiert er. Politisch hat er gute Gründe, sich vor den Landtagswahlen auf keine dieser Diskussionen einzulassen. Niemand würde dem Finanzpolitiker Eichel heute abnehmen, dass neue Steuerpläne nicht Steuererhöhungspläne sind. Niemand würde ihm glauben, dass eine Mehrwertsteuerentscheidung Teil eines großen Plans wäre, die Staatseinnahmen zu konsolidieren und gleichzeitig die Steuerzahler zu entlasten. Hans Eichel muss nun damit leben, dass seine Zustimmung zu Dienstwagen-, Schnittblumen-, und Hundefuttersteuer im Koalitionsvertrag ihn einen Teil seiner Glaubwürdigkeit als Finanzpolitiker gekostet hat. Dass der Pragmatismus im Einzelfall die finanzpolitische Linie zerstört hat.

Offensichtlich wird das, weil die Finanznot der Länder und Kommunen so dramatisch ist, dass die alle politische Contenance fahren lassen. Dass ausgerechnet ein CDU-Ministerpräsident der erste ist, der freundliche Zustimmung signalisiert, zeigt, wie sicher die Union ist, die Landtagswahlen am kommenden Sonntag zu gewinnen. Es zeigt aber auch, dass die Länder und Gemeinden keinen Grund mehr sehen, ihre Steuerpläne zu verschweigen. Für die Bundesregierung tut sich ein doppeltes Dilemma auf. Erstens riskiert sie, dass sie das Mehrwertsteuer-Dementi von dieser Woche schon in wenigen Tagen wieder einkassieren muss. Und zweitens verliert Hans Eichel Spielraum. Spielraum für eine durchgreifende, vernünftige und geplante Neuordnung der Finanzen.

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