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Meinung: Mit allem Komfort

Beim VW-Skandal geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften

Albert Vietor wurde Opfer der eigenen Großmannssucht. Franz Steinkühler scheiterte wegen der Gier und Klaus Volkert womöglich wegen des Triebs. Schwach ist der Mensch, der Mann sowieso, und Gewerkschafter nicht mehr oder weniger als Zahnärzte, Schuhverkäufer oder Bankfilialleiter. Doch die Ansprüche an jemanden, der die Interessen von Arbeitnehmern vertritt und dafür auch bezahlt wird, sind anders als die Ansprüche an andere. Das sollten Betriebsräte und Gewerkschafter wissen – wenn sie nicht ein Legitimitätsproblem bekommen wollen.

Albert Vietor, ehemals Chef der Neuen Heimat, hinterließ bei seinem Tod 1984 Villen in Wedel und bei Ascona, 24 Wohnungen in Hamburg und 217 Beteiligungen an 217 Berliner Wohnungen. Der Lebensmittelkaufmann aus Kassel war in knapp 30 Jahren an der Spitze des gewerkschaftseigenen Wohnungsunternehmens zu Wohlstand gekommen. Und zwar legal. Jedenfalls wurde Vietor, auch König Albert genannt, nie verurteilt. Er beerdigte allerdings die Gemeinwirtschaft und fügte der Gewerkschaftsbewegung insgesamt schweren Schaden zu.

Franz Steinkühler womöglich auch. Der talentierteste deutsche Gewerkschafter der letzten Jahrzehnte verhob sich an einem Aktienpaket. Den Vorwurf, sein Insiderwissen als Aufsichtsrat für den Kauf von Aktien missbraucht zu haben, konnte Steinkühler zwar zurückweisen. Doch die moralische Latte für Gewerkschaftsführer hatte er gerissen: Ein großes Aktienpaket darf der nicht haben, denn sonst müsste er ja aus schnödem Eigeninteresse den shareholder-value stärken wollen. Welche Dummheit Klaus Volkert begangen hat, werden womöglich die VW-internen Ermittlungen in den nächsten Wochen zeigen. Der Betriebsratschef, neben seinem Kollegen von Daimler-Chrysler der mächtigste Betriebsrat im Land, hat sich „keiner kriminellen Handlung schuldig gemacht“, wie er selbst sagt. Vermutlich ist die Aussage wahr. Volkert weiß aber auch, dass nicht alles, was schlecht riecht, gleich kriminell sein muss.

Wenn sich Volkert Sex gekauft haben sollte, dann ist das seine Sache und die der Hure; wenn sich Volkert Sex von VW hat bezahlen lassen, dann wird es schmierig. Und wenn Volkert sich für den Sex gegenüber dem Vorstand in der Schuld gesehen haben sollte und der Return on Investment für das Unternehmen in einem handzahmen Betriebsratsvorsitzenden bestand – dann werden Unternehmen, Betriebsrat und IG Metall noch lange zu leiden haben unter dieser Sauerei.

Doch das will man ja gar nicht glauben. Sollte der Betriebsratschef des größten europäischen Autokonzerns so dumm sein? Lassen sich Hunderttausende VW-Mitarbeiter derart täuschen? Kann die Führung dieses Weltkonzerns so fahrlässig sein? Ist es denkbar, dass gekaufter Sex Auswirkungen hat auf die Arbeitsbedingungen von so vielen Menschen, auf Löhne, Arbeitszeiten, Urlaub und Pensionsansprüche? Volkswagen würde auf das Niveau eines haitianischen Gebrauchtwagenhändlers fallen. Das Image kaputt, den guten Ruf im Puff verloren.

Da hilft nur Tempo. VW muss die Staatsanwaltschaft und die internen Prüfer drängen, so schnell wie möglich die Ergebnisse der Untersuchungen vorzulegen. Und Volkert? Er geht womöglich in die Gewerkschaftsgeschichte ein wie zuvor Vietor und Steinkühler.

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