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Meinung: Mit dem Latein am Ende

Die „Zeitansage“ beim Katholikentag offenbarte Ratlosigkeit und Mutlosigkeit der Kirche

Dieser Katholikentag war überflüssig. Eingezwängt zwischen dem vorjährigen Megaereignis des Ökumenischen Kirchentages in Berlin und dem 2005 anstehenden Weltjugendtag mit dem Papst in Köln fehlte es dem fünftägigen Christentreffen auf der schwäbischen Alb an Ausstrahlung und Schwung. Diesen Eindruck verstärkte die gastgebende Stadt Ulm, die wohl provinziellste aller deutschen Provinzstädte, noch. Die innerkirchliche Stimmung ist lustlos und resigniert. Die Aktiven wirken überanstrengt und ausgelaugt, das Führungspersonal gefangen und desorientiert.

Zeitansage für die Gesellschaft zu sein – von diesem hehren Ziel des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) war diesmal nichts zu spüren. Die meisten Themen, die das Land im Augenblick durchschütteln, blieben außen vor. Produktive Reibungsflächen mit der Politik suchte man vergebens. Praktisch kein rot-grünes Kabinettsmitglied aus Berlin ließ sich in Ulm blicken. Und kaum ein Forum oder Vortrag erbrachte einen überzeugenden geistigen oder politischen Ertrag.

Stattdessen dominierte die Defizitansage. Die Besucherzahlen waren dürftig, das dünne Programm am Ende von so vielen Absagen durchlöchert, dass die Veranstalter darüber in täglichen Faltblättern informieren mussten. Und in den engen Gassen der Donaustadt stand mal wieder die innerkirchliche Nabelschau im Vordergrund. Wer aber kann sie noch hören, die abgewetzten und typisch katholischen Dauerbrenner wie Zölibat, Rolle der Frau in der Kirche, Umgang mit Geschiedenen oder Verbot der Empfängnisverhütung? Sich darüber den Kopf heiß reden, das können nur noch die Hartgesottenen. Wirklich etwas zu bewegen, wirklich etwas mitzureden hatte das Volk Gottes in diesen Fragen noch nie. Und das wird auch so bleiben, solange das mittelalterlich-monarchische Macht- und Amtsverständnis der katholischen Hierarchie besteht.

Kein Wunder, dass Lähmung und Stillstand unter den Laien um sich greifen – verstärkt durch die sich abzeichnende gesamtkirchliche Finanzkrise. Die katholische Kirche in Deutschland zehrt längst von ihrer Substanz, ideell und materiell. Und sie wird nicht mehr lange so weitermachen können. Die herkömmlichen Rollen und tradierten Gewissheiten tragen nicht mehr. In zehn Jahren werden zwei Drittel aller Gemeinden ohne Priester sein. Die restlichen Pfarrer mutieren dann zwangsläufig vom Seelsorger und Priester am Ort zu verwaltenden und die Liturgie garantierenden Erzdekanen einer ganzen Region.

Diese Lage erfordert eine nüchterne Bilanz und Mut zur Realität. Kirche mit Zukunft braucht ein Gesicht, in dem mehr zu lesen steht, als die Sorgen über wegbrechende Steuereinnahmen, sinkende Mitgliederzahlen, über römische Instruktionen oder ökumenische Spiegelfechtereien. Welche Ausstrahlung und welche Züge das neue Antlitz bekommt, hängt vor allem von den Laien ab – im Kerngeschäft der Kirche bis heute abgespeist mit der Rolle von Nothelfern und geduldeten Gastarbeitern.

Die klerikalen Profis sind mit ihrem Latein längst am Ende. Sie halten zwar noch die Fäden in den Händen, in Wirklichkeit aber sind sie ausgebrannt und ratlos – sowie eingezwängt in das viel zu enge Korsett päpstlicher Dekrete.

Es geht also um mehr als Haushaltsdisziplin, Rechnen, Sparen, Kürzen und Streichen. Auf der Tagesordnung muss eine grundlegende Selbstrevision des katholischen Amtes stehen. Da trifft der 1979 von Rom gemaßregelte Tübinger Theologe Hans Küng den Nagel auf den Kopf. Und es geht um ein Ende der bischöflich-monarchischen Kleinstaaterei in Deutschland, wie das ZdK zu Recht mahnt.

Machtkontrolle, Rechenschaft und Verantwortung, Partizipation und Transparenz, das müssen die inneren Leitwerte der Institution Kirche werden. Hier liegen die Wurzeln für eine Regeneration des Vertrauens und eine produktive Bewältigung der Krise. Dieser Wandel kann gelingen. Aber nur, wenn alle vorhandenen Kräfte auch einbezogen werden. Jeder Beitrag ist also willkommen, von Eugen Drewermann ebenso wie von Kardinal Lehmann, von Hanna-Renate Laurien ebenso wie von Christa Nickels, von Hans Küng ebenso wie von Wolfgang Thierse.

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