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Meinung: Mit knirschenden Zähnen Von Caroline Fetscher

Stellen Sie sich vor, am Sonntag wären Wahlen in Deutschland, und Sie wissen, der Weg zum Wahllokal wird kein Spaziergang durch vertraute Parks und Straßen. Sondern ein Risiko auf Leben und Tod.

Stellen Sie sich vor, am Sonntag wären Wahlen in Deutschland, und Sie wissen, der Weg zum Wahllokal wird kein Spaziergang durch vertraute Parks und Straßen. Sondern ein Risiko auf Leben und Tod. Unterwegs könnten Feinde der Demokratie eine Bombe auf Wahlwillige werfen oder Scharfschützen Schüsse auf sie abfeuern. Wie – das wäre eine Sonntagsfrage ganz anderer Art – sähe bei uns in Westeuropa wohl da die Wahlbeteiligung aus? Es ginge um einen leidenschaftlichen, unbedingten Einsatz für die Demokratie, einen Härtetest für die Demokratie, einen, für dessen Ergebnis man vielleicht nicht die Hand ins Feuer legen würde …

Die von der totalitären Diktatur befreiten Irakerinnen und Iraker haben sich selbst und der Welt eben das gezeigt: Dass sie großen Bedrohungen trotzen, um friedlich ihr frisch gewonnenes Wahlrecht zu nutzen. Nicht nur den Restfaschisten im Land haben sie die Stirn geboten, sondern auch den Unkenrufen derer im Westen, die ihre prophylaktische Schadenfreude über ein kommendes Wahldesaster im Irak kaum verbergen konnten. Minimale Wahlbeteiligung sagten sie voraus, gespenstisch leere Straßen, eine renitente und verängstigte Bürgerschaft, welche das Klischee von der Demokratieresistenz „der Araber“ und der arroganten Megalomanie der Amerikaner sattsam bestätigen würden. Aber – nichts von alledem.

George W. Bush hat Recht, wenn er das ein „historisches Ereignis“ nennt. Zähneknirschend muss man das auch in Deutschland anerkennen, die Fakten sind zu stark. Jubel über diese Sensation ist aber nicht zu hören, selbst wenn man die Ohren spitzt. So gratuliert Außenminister Joschka Fischer den Wählern im Zweistromland zwar zur „mutigen Entscheidung“, um dann im selben Atemzug bei seinem bockigen Nein zu bleiben, was die deutsche Beteiligung an der Ausbildung von Streitkräften und Sicherheitskräften im PostSaddam-Irak betrifft. Am Rande der EU-Außenministerkonferenz in Brüssel sprach Fischer vor allem von der „Stabilisierung“ des Landes und vom weiteren deutschen Einsatz für den Irak – aber nur außerhalb des Landes. Unübersehbar ist die symbolische Signifikanz dieser Haltung: Danke. Wir gucken lieber von außen ein bisschen zu und schicken auch mal ein politisches Care-Paket ins sichere Nachbarland. Das Wort Außen-Minister bekommt dabei einen seltsamen Klang. Ein bisschen wie Draußen-Minister, vielleicht?

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