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Meinung: Mit Mammuts kuscheln

Das reproduktive Klonen von Tieren wird zum Geschäft

Alexander S. Kekulé Es gibt Ideen, die sind einfach nicht totzukriegen. Wie die Dinosaurier aus Spielbergs Jurassic Park, die wohl zu den hartnäckigsten Untoten aus dem Reich der Phantasie gehören: Man nehme einen in Bernstein konservierten Moskito, der vor etwa 100 Millionen Jahren bei einem Dinosaurier Blut gesaugt hat. Die daraus gewonnene Erbsubstanz (DNS) kommt in die entkernte Eizelle eines anderen Reptils, etwa einer Echse, und schon wächst im Labor ein geklonter Saurier heran. Warum sollte das nicht funktionieren, zumindest eines fernen Tages, wenn die Technik fortgeschritten ist?

Immerhin ist es bereits gelungen, aus einer 40 Millionen Jahre alten, in Bernstein konservierten Biene ein paar Stückchen DNS zu gewinnen. Die letzten Dinosaurier lebten vor 65 Millionen Jahren, also nicht viel früher. Schon 1985 veröffentlichte der neuseeländische Paläobiologe und Romanautor Charles Pellegrino die Idee, aus in Bernstein konservierten Mücken die Urechsen des Mesozoikums wieder auferstehen zu lassen – ja, der berühmte Jurassic Park-Autor Michael Crichton hat die Idee geklaut, was erst lange nach Erscheinen des Bestsellers bekannt wurde.

Von der prähistorischen DNS zum geklonten T-Rex – das ist ein kleiner Schritt für einen Romanautor, jedoch ein gigantischer Sprung für die Wissenschaft. Größtes Problem ist die Empfindlichkeit des Erbmaterials: Die zu Chromosomen zusammengeknäuelten, meterlangen DNS-Stränge beginnen sich wenige Stunden nach dem Tod eines Tieres zu zersetzen. Weil mit der Verwesung die schützende Hülle des Zellkerns verschwindet, greifen Enzyme und andere aggressive Stoffe die DNS an. Die Erbinformation aus in Bernstein eingebetteten Ur-Insekten gleicht deshalb einer Enzyklopädie, aus der jemand die meisten Seiten herausgerissen, den Rest geschreddert und dann kompostiert hat: Zwar sind einzelne Schnipsel noch lesbar, jedoch kann der Gesamttext unmöglich rekonstruiert werden.

Deshalb haben sich die Tierkloner erst einmal auf weniger spektakuläre Projekte verlegt, die jedoch nicht minder lukrativ sind: Eine kalifornische Firma stellt Kopien von Haustieren her. Geklonte Katzen sind derzeit im Angebot für 32000 Dollar, Hunde sollen ab Ende des Jahres lieferbar sein. Publikumslieblinge wie Lassie oder Rin Tin Tin gibt es allerdings nicht als Kinderzimmer-Klon – die DNS der Kopiervorlagen muss zu Lebzeiten eingefroren werden. Doch auch die Idee eines urzeitlichen Vergnügungsparks ist noch nicht ausgestorben. Jetzt machte sich ein japanisches Forscherteam daran, ein anderes Urviech zu rekonstruieren, das seit dem Kinohit „Ice Age“ ebenfalls ein Filmstar ist: Das Mammut. Bisher sind alle Versuche gescheitert, dem im sibirischen Permafrost konservierten Wollmammut die Gene zu entlocken. Zwar wäre DNS bei Minus 160 Grad im Prinzip unbegrenzt haltbar. Doch liegen die Temperaturen im gefrorenen Tundraboden nur bei Minus 12 Grad. Trotzdem ist das Team um den Tiergenetiker Kazufumi Goto optimistisch: Etwa zehn Millionen der kuscheligen Dickhäuter sollen in Sibirien begraben liegen, deren Genschnipsel könnten wie ein Puzzle zusammengeflickt werden. Vielleicht findet sich ja auch ein gut tiefgefrosteter Mammutbulle, mit dessen Samen eine Elefantenkuh befruchtet werden kann. Die Nachkommen wären zwar zunächst Chimären aus Mammut und Elefant. Durch Wiederholung der Prozedur könnte jedoch in etwa 50 Jahren, so das japanische Team, eine mit dem Mammut zu 88 Prozent identische Kreatur entstehen. Als Zuhause für die vor 10000 Jahren ausgestorbenen Pflanzenfresser haben die Japaner bereits einen Wildpark in Nordsibirien geplant. Dort sollen auch weitere Eiszeit-Attraktionen wie das Wollnashorn und der Säbelzahntiger zu besichtigen sein – das japanische Mammutprojekt verspricht also ein großer kommerzieller Erfolg zu werden.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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