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Meinung: Mit Volldampf in die Sackgasse

Palästina ist nun Mitglied der Unesco, doch der Preis dafür ist hoch

Gut gemeint bedeutet nicht automatisch gut gemacht. Die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied in die Unesco, die für Bildung und Kultur zuständige Unterorganisation der Vereinten Nationen, hat viele unerwünschte Nebenwirkungen. Die Unesco wird wichtige Projekte wie die Förderung der Schulbildung von Mädchen in Afghanistan oder die Journalistenausbildung in Tunesien und Ägypten nicht mehr finanzieren können, weil die USA nun gesetzlich gezwungen sind, keine Beiträge mehr zu zahlen – immerhin 22 Prozent des Unesco-Etats.

Europas Spaltung in der Palästina-Frage ist offiziell dokumentiert; die Unfähigkeit der EU, Einfluss auf den Nahen Osten zu nehmen, lässt sich nicht mehr verdecken. Amerika muss wider Willen Macht demonstrieren, verliert aber an Sympathien. Und nicht einmal Palästina hat unter dem Strich viel von dem oberflächlichen Sieg. Die Aufwertung wäre auch sichtbar, wenn es sich mit einem Beobachterstatus wie die EU begnügt hätte. Aber dann hätte es der Welt die destruktiven Folgen erspart. Spätestens, wenn die Unesco demnächst Projekte streichen muss, wird sich der Ärger der Betroffenen auch gegen Palästina richten.

Das ist das Ergebnis, wenn solche Entscheidungen mit heißem Herz statt kühlem Verstand getroffen werden. Auch wer das palästinensische Anliegen richtig heißt und der Analyse folgt, dass die Welt der israelischen Blockadepolitik zu lange tatenlos zugesehen hat, muss deshalb ja nicht gleich empfehlen, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. Man darf gewiss auch die USA kritisieren, weil dort die Gesetze bis heute gelten, wonach jede Institution, die Palästina anerkennt, mit Geldentzug bestraft wird. Aber es gibt sie nun einmal – und nicht ohne Grund; die Unesco hatte sich ihren früheren Ruf, antiisraelisch und antiamerikanisch zu sein, redlich erworben.

Heute gilt das nicht mehr so absolut. Palästina hätte jedoch gut daran getan, Präsident Barack Obama mehr Zeit zu geben, um diese Relikte aus der Vergangenheit aus dem Weg zu räumen, ehe es die Vollmitgliedschaft erzwingt. Jetzt kann er gar nicht anders, als geltendes Recht zu befolgen – obwohl auch er diese Folge nicht will.

In solchen Momenten wird der Unterschied zwischen Möchtegern-Weltpolitikern und Profis unübersehbar. Mit mehr Einfluss geht die Verantwortung einher, die Folgen zu bedenken. Palästinas Aufnahmeanträge, ob im UN-Sicherheitsrat, der Vollversammlung oder der Unesco, waren nicht als kurzfristiger Selbstzweck gedacht – nicht als Einladung, es Israel und den USA mal so richtig zu zeigen und die eigenen Frustrationen abzureagieren. Sondern sie sollten Israel unter Druck setzen, sich zu bewegen. Darüber abstimmen zu lassen, ohne Bewegung erreicht zu haben, gleicht der Aufgabe der eigenen Strategie.

Die praktischen Folgen werden manche Freunde der Palästinenser erneut daran zweifeln lassen, wie politikfähig deren Führung ist, wenn es darauf ankommt. Deshalb gibt es wenig Grund, dem neuen Unesco-Mitglied zu gratulieren. Der Preis ist zu hoch.

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