zum Hauptinhalt

Mon BERLIN: Leise rieselt der Gips

Seit drei Wochen teile ich mein Leben mit einer sympathischen und qualifizierten Truppe Berliner Handwerker. Sie führen ihre Arbeiten einfach perfekt aus, sie haben genug psychologisches Feingefühl, um die manchmal bloßliegenden Nerven ihrer Bauherrin mit einem Scherz zu entspannen, sie beleben den gemeinsamen Cappuccino am Vormittag mit einem erfrischenden Gespräch, und wie vereinbart werden sie ihr Werk eine gute Woche vor der Ankunft der zwölf Weihnachtsgäste beendet haben.

Seit drei Wochen teile ich mein Leben mit einer sympathischen und qualifizierten Truppe Berliner Handwerker. Sie führen ihre Arbeiten einfach perfekt aus, sie haben genug psychologisches Feingefühl, um die manchmal bloßliegenden Nerven ihrer Bauherrin mit einem Scherz zu entspannen, sie beleben den gemeinsamen Cappuccino am Vormittag mit einem erfrischenden Gespräch, und wie vereinbart werden sie ihr Werk eine gute Woche vor der Ankunft der zwölf Weihnachtsgäste beendet haben.

Was will man mehr? Ich war begeistert… bis ein Paar – Bekannte aus dem Schwäbischen – meine naive Zufriedenheit in wenigen Sekunden und ungefragt beiseite fegten: „Bei uns in Tübingen“, erklären sie mir im Chor, „haben die Handwerker uns noch vor dem ersten Hammerschlag einen minutengenauen Plan vorgelegt.“ Montag, 8.02 Uhr: erster Farbauftrag im Kabuff in der ersten Etage. Donnerstag, 14.22 Uhr: Der Klempner montiert die neue Armatur am Waschbecken im Bad. „Bei uns sind die Handwerker vorbildlich! Und sie waren sogar eine Woche früher fertig als abgemacht! Wir hatten noch nicht mal die Umzugskartons gepackt, denken Sie nur!“ Angesichts der triumphierenden Deklination schwäbischer Exzellenz mache ich mich ganz klein.

Den Gnadenstoß versetzt mir ein Anruf aus Düsseldorf. Eine alte Freundin fragt, wie es mir geht. Ich beschreibe die feine weiße Staubschicht überall, auf den Büchern, dem Geschirr, dem Parkett und vermutlich auch in unseren Lungenbläschen. Ich bettle um Mitgefühl. Ich suche eine rheinländische Schulter, an die ich meinen Kopf legen und wieder Mut schöpfen kann. Ich erwarte ein: „Oh ja, das kenne ich, du Ärmste. Bleib tapfer! Ist bald vorbei!“

Stattdessen ernte ich einen boshaften Ausbruch: „Staub auf einer Baustelle! Diese Berliner haben doch keine Ahnung! Wo hast du die denn bloß aufgetan, meine Süße? Bei uns in Düsseldorf…“ Sie beschreibt eine grandiose Bohrmaschine, die den Gipsstaub verschlingt, bevor der Fräser auch nur begonnen hat, Löcher in die Wand zu bohren. Am anderen Ende der Leitung sinke ich in mich zusammen. Unsere Wohnung sieht aus wie eine Schneekugel.

Man saugt Staub, man wischt Staub, man schüttelt das Tuch aus… nach ein paar Minuten hat der Staub sich schon wieder überall breitgemacht. Auf den Ruinen dessen, was bis vor einigen Tagen meine Küche war, breche ich zusammen. Ich fühle mich wie ein Nichts, unfähig. Und ich kann nur mir selbst vorwerfen, für diese Lage verantwortlich zu sein. Ich könnte fast heulen.

Die lauernde Rivalität zwischen den Bundesländern beschränkt sich also nicht nur auf das Schulsystem und den Fußball… auch die Qualität der Handwerker wird verglichen. Ich sehe das selbstzufriedene Lächeln auf den Lippen in Tübingen und Düsseldorf. Werden die Handwerker nicht instrumentalisiert, um dem Rest der Welt die eigene Kompetenz, das eigene Organisationsgenie zu beweisen? Dienen sie nicht dazu, sich einen Orden an die Brust zu heften?

Plötzlich, in der tiefsten Verzweiflung, kommt mir eine unsägliche Vorstellung in den Sinn. Ich stelle mir vor: drei Wochen lang schwäbischer Dialekt, von morgens bis abends! Drei Wochen mit der Stoppuhr in der Hand! Drei Wochen in Gesellschaft der Düsseldorfer Sturköpfe mitsamt Putzfimmel und Wunderwaffe?

Drei Wochen auf allen Vieren die Badezimmerfliesen auf der Suche nach dem rebellischen Staubkorn überwachen! Einen Schwaben oder einen Rheinländer gegen einen Berliner austauschen? Niemals! Die leichte Melodie des Icke und eene hat mich durch den Tag gewiegt. Der Klempner hat einen Anfall von Depression besänftigt und der Schreiner hat mir so überzeugend von den Freuden des Wohnzimmercampings vorgeschwärmt, dass ich fast enttäuscht war, als er mir mitteilte, die Küche sei wieder einsatzbereit.

Ich richte mich kerzengerade auf. Ich bin bereit, die Verdienste des Berliner Handwerkers zu rühmen. Einen besseren gibt es in der ganzen Republik nicht! Und außerdem – wie sähe unsere Wohnung ohne die weiße Gipsschicht aus, die alles bedeckt wie der erste Schnee, ein Wunder, direkt vor Weihnachten. Wir jedenfalls werden eine weiße Weihnacht erleben! Joyeux Noël!

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false