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My BERLIN: Angela Merkel, unser sauberes FDJ-Mädel

An Angela Merkels Haltung zur Erderwärmung ist auch etwas sehr Persönliches, eine Leidenschaft, die sie für kein anderes Politikfeld aufbringt. Es ist das FDJ-Mädchen in ihr, das die Welt ändern will.

Es war einmal eine kleine FDJlerin. In ihrem Blauhemd wollte sie aus der Welt einen besseren Ort machen. Aus dem Mädchen wurde eine Frau, aus der Frau eine Politikerin, aus der Politikerin eine Umweltministerin – in einer Zeit, in der Umweltschutz nur ein Thema für Freaks mit Birkenstocks Unterwäsche aus Naturfasern war.

Schließlich wurde sie härter und verstand, dass der Job der Ministerin bloß Teil eines Spiels war; dass Ideen längst nicht so wichtig sind wie das Ausloten des politischen Vorteils. Ein Teil von ihr, die idealistische Merkel, blieb dagegen verschüttet, als sie vor zehn Jahren ein Protokoll unterschrieb, an einem Ort namens Kyoto.

Vielleicht hat ihr Kreuzzug für den Klimaschutz heute sogar eine zynische Dimension. Sicher, vom Grün-Ruck der deutschen Politik hat sie immer profitiert. Sie war sogar klug genug, sich nicht neben Knut ablichten zu lassen. Anders als Sigmar Gabriel ahnte sie, dass Knut kurz vor der Wahl 2009 versuchen würde, seinen Pfleger umzubringen – und deshalb Stimmen kostet. Stattdessen zog sie sich einen roten Anorak über und besuchte einen schrumpfenden Eisberg. Zu erwarten sind weitere solche Bilder: im bedrohten Regenwald, neben Pandabären, Tigern, Seehunden oder anderen vom Aussterben bedrohten Spezies wie etwa Kurt Beck.

An ihrer Haltung zur Erderwärmung ist jedoch auch etwas sehr Persönliches, eine Leidenschaft, die sie für kein anderes Politikfeld aufbringt. Es ist das FDJ-Mädchen in ihr, das die Welt ändern will. Der Klimawandel ist zur Ideologie geworden, dessen Glaubenssätze sind bereits unanfechtbar. Wer die alles erdrückende wissenschaftliche Logik des überhitzten Planeten noch anzweifelt, gilt als Ketzer.

Zum ersten Mal seit dem Ende der Sowjetära werden wieder persönliche Opfer verlangt. Ja, der Klimawandel hat das Potenzial, zu einer globalen, egalitären Bewegung zu werden. Das ist das Ergebnis ihrer Gespräche beim G-8-Gipfel. Sie möchte gemeinsame Verbrauchsziele für alle Nationen schaffen, keine abstrakten Prozentwerte. Die armen Länder sollen ihr Ziel auch dann erreichen können, wenn sie in den nächsten Jahren weiter wachsen. Die reicheren Länder dagegen müssen ihre Emissionen zurückfahren. Um das Jahr 2050 herum werden sich beide in der Mitte treffen. Und wir alle werden gleich. Vielleicht werden wir alle Mitglieder der CO2-neutralen Partei, die ihr eigenes Zentralkomitee, Politbüro und einen eigenen Geheimdienst bekommt.

Die wahre Stärke der FDJ lag nicht so sehr in ihrer Ideologiefestigkeit als in der Fähigkeit, Massen von gelangweilten jungen Menschen auf die Beine zu bringen. Natürlich gab es peinliche Solidaritätsmärsche für Vietnam und Nicaragua. Aber entscheidender war ihr Versuch, Verhalten zu beeinflussen. Die kommunistischen Regime waren Experten in Sachen Recycling. Ich erinnere mich, wie im Warschau der 80er Jahre ein Junge einen schweren Karren, auf dem alte Ausgaben der Parteizeitung „Trybuna“ gestapelt waren, zu einer Sammelstelle transportierte. Er konnte sie dort gegen die Mangelware Klopapier eintauschen – um es dann zu verkaufen.

Der Osten mag sehr verschmutzt gewesen sein, mit den Stahlwerken, der Braunkohle und den Tschernobyls, aber er nahm das Recycling ernster, als es die meisten westlichen Länder heute tun. Jahrzehntelang wurde Milch in Zinnkannen ausgeschenkt, nicht abgepackt verkauft. Plastiktüten galten als lächerlich, man trug die Einkäufe im eigenen Beutel. Mineralwasser in Plastikflaschen galt als angeberisch. Der Westen war vielleicht demokratisch und kapitalistisch erfolgreich – aber er war auch Plastik.

Und natürlich war die DDR das effizienteste Land im Sowjetblock, was die Ressourcennutzung anging. Die Motivation dahinter war zum Teil das Geld: Altglas aus der DDR wurde zur Wiederverwertung in den Schwarzwald verkauft. Die FDJ sammelte Altkleider, die tonnenweise nach Italien verkauft wurde. Altmetall wurde an die Sowjetunion verkauft. Sero, das Sammelsystem der DDR, machte dank des Enthusiasmus der Bevölkerung und der Organisationsmacht der FDJ große Profite. Vor der Wende produzierte der durchschnittliche DDR-Bürger 175 Kilogramm Müll pro Jahr; der Westbürger 500 Kilo.

Die kommunistischen Betriebe waren zwar extrem ineffizient, verwöhnt durch das billige, subventionierte sowjetische Öl. Aber der Normalmensch wusste, dass die Ressourcen knapp sind. Diesen Instinkt brachte Merkel mit ins Kanzleramt und zum G-8-Gipfel. Es war Merkel, die gesagt hat, am stolzesten sei sie nicht auf Schiller oder Mercedes, sondern auf die dichten deutschen Fenster.

Sie geht durchs Kanzleramt und macht die Lampen aus. Merkels Klimapolitik? Kein politischer Opportunismus, diesmal nicht, sondern ein persönliches Anliegen.

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