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My Berlin: E-Mail aus den USA: Angie muss mehr Elche jagen

Berlin ist im Wahlfieber: Der Countdown läuft. Das Duell zwischen Obama und McCain hat quer durch das politische Establishment in Europa die Erwartungen steigen lassen.

Diesmal, sagen alle, werden wir einen anspruchsvollen Wahlkampf führen, voller Leidenschaft und Dynamik; wir werden unsere Wähler mitnehmen auf eine Reise ins Herz der Politik. Nicht uns werden sie lieben lernen, sondern den politischen Prozess selbst, und es wird Schluss sein mit der Gleichgültigkeit der vergangenen Jahrzehnte.

Deshalb machte ich mich auf zu einem spontanen Besuch der Parteizentralen in der Erwartung, dort auf eifrige junge Politikgenies zu treffen, die an einer Formel für obamahaften Wandel sitzen. Ich fand: nichts. Selbst schuld, es war Freitag. Montags, sagte mir eine Putzfrau im Willy-Brandt-Haus, ohne den dröhnenden Staubsauger abzustellen, ist mehr los.

Wenigstens konnte ich so die Architektur bewundern (sowohl CDU als auch SPD bevorzugen Glas und hohe Hallen – der Flughafen-Look). Vielleicht könnte man daraus etwas ableiten, wenn die Politiker schon nicht da sind: Das Konrad-Adenauer-Haus ähnelt einem verlassenen Schiff. Wie die mysteriöse Celeste aus dem 19. Jahrhundert, die man schaukelnd im Atlantik fand. Die Messer und Gabeln lagen auf den Tischen, als hätte eine geheimnisvolle Kraft die verschwundenen Seeleute direkt vom Esstisch weggezogen. Offenbar passiert das Gleiche an Freitagen im politischen Berlin. Die Mülleimer waren aber noch nicht ausgeleert, und deshalb habe ich mich über sie hergemacht. In einem fand ich einen zerknitterten E-Mail-Ausdruck, den ich im Interesse politischer Schulung hier veröffentliche:

An: volkerk@cducsu.de

Von: spindoc@repub.usa

Hey Volker, are you Germans crazy, or what? Dieser Typ, Big Franky Stonemeier, will Angie kaltmachen, und ihr lasst das zu? Ihr müsst ihn aus dem Fernsehen rauskriegen. Schickt ihn nach Südamerika! Beauftragt ihn mit einer Friedensmission weit, weit weg! Ihr müsst weiter an dem Angie- Monopol arbeiten. Mein Boss und ich haben die Zehn Gebote für die Wiederwahl ausgearbeitet:

1. Schickt Angie Elche jagen! Erinnert ihr euch an das Schwein, das sie mit George W. Bush in Trinwillershagen gegrillt hat? Guter Ansatz. Dass sich ein paar Muslime aufgeregt haben, na und? Drückt ihr eine Waffe in die Hand. Diese ostdeutschen Wähler lieben das. Wisst ihr noch, wie sie das Ekel Honecker verehrt haben? Das war wegen der Jagd.

2. Neue Brille. Die Wähler lieben den Bibliothekarinnen-Look. Die kann sie dann beim Fernsehduell abnehmen und Big Franky entgegenwedeln. Und: mehr roter Lippenstift. Wähler müssen an ihren Lippen hängen, auch wenn ihre Worte sie einschlafen lassen.

3. Vergesst Bayreuth. Ihr Mann muss auf ein Snowmobil. Wähler wollen Kandidaten mit Macher- Männern, nicht muffige opernliebende Professoren. Versucht, ihn auf eine Harley-Davidson mit Til Schweiger zu kriegen. Er sollte beim Saufen mit einem Fiesling aus dem „Tatort“ gesehen werden.

4. Ihr müsst über das Thema Alaska irgendwie vom US-Wahlkampf profitieren. Hat nicht Franz Josef Strauß gesagt: „Lieber Ananas in Alaska züchten als in Bonn Bundeskanzler werden“? Dank der Erderwärmung kann Angie beides machen: der Gouverneurin beim Südfrüchteanbau helfen und an der Macht bleiben.

5. Ein Kind. Viele Kinder. Kinder, die Kinder kriegen. Geht nicht? Aber habt ihr nicht Ursula von der Leyen? Sie sollte neben Angie auf der Bühne stehen und ihre Kinder im Kreis drumherum. Hat jemand schon einmal Angie mit einem Baby auf dem Arm gesehen? Einen Versuch wert. Nur nicht fallen lassen. Angie kann ja als Kanzlerin ein Neutrum sein, im Wahlkampf muss sie wieder ganz Frau werden. Das wird die Angie- und-Ursula-Show, damit schlagen wir alle Rekorde.

6. Macht auf authentisch, Volker. Natürlich werden Big Franky und Münte die „Wandel“-Nummer von Obama durchziehen. Das wird aber keiner schlucken. Franky hat so viel mit Wandel am Hut wie Breschnew – und er ist Teil einer Koalition, die nicht einmal eine Glühbirne auswechseln kann. Der wahre Wandel-Kandidat ist Angie: Will sie nicht jetzt Schwarz-Gelb? Das sollte sie lieber nicht so laut sagen. Stattdessen ihr Leben in den Vordergrund schieben: Im kommenden Jahr ist das große Gedenken, 1949, 1989. Angie hat ein authentisch gesamtdeutsche Leben. Davon wollen wir hören. Sie ist der Freiheitskandidat.

7. Und sie eine Patriotin. Alles Quatsch mit der Weltstaatspolitikerin. Mit den Palästinensern kann irgendein anderer reden, hier gibt es zu viel zu tun. Das ist die goldene Regel: Außenminister sind immer beliebt – bis zum Wahljahr. Dann wirken sie abgehoben.

8. Nur nach Afghanistan darf sie. Dort sind ja deutsche Jungs. Rauf auf einen Panzer, und dann die Fotografen her. Münte wird die Antikriegskarte spielen, die sticht aber diesmal nicht. Das Thema hält Oskar besetzt. Lieber bald nach Kabul, noch vor Weihnachten. Aber ohne schusssichere Weste. Die macht dick.

9. Schreibt ihr noch schnell eine Autobiografie. „Hoffnung“ muss in den Titel. Aber lasst das nicht Hugo Müller-Vogg machen, dann liegt das Buch wie Blei in den Läden. Vielleicht kann Charlotte Roche den Text durchgehen? Die zieht, hat man mir gesagt. Und: Setzt das Gerücht in Umlauf, dass Jodie Foster Angela Merkel in dem geplanten Film spielt. Tom Cruise als Ronald Pofalla. Und ein paar Statisten sollten dabei ruhig vom Laster fallen.

10. Überredet Angie, Gefühle zu zeigen. Wie bei der Fußball-WM. Sie muss wenigstens einmal im Wahlkampf in Tränen ausbrechen. Wenn ihr das schwerfällt, soll sie ein Promidinner bei Kerner kochen. Ein Teller mit Zwiebeln vor die Nase, und schon geht das.

Dear Volker, ich hoffe, das hilft euch. Denkt daran, dass der Wahlkampf schon begonnen hat! Angie muss das verinnerlichen. Und sie kann jederzeit auf die Hilfe von uns Republikanern zurückgreifen.

Solche Sachen findet man an Freitagnachmittagen in Berliner Mülleimern.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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