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Grünen-Fraktionschefs Anton Hofreiter, Katrin Göring-Eckardt

© dpa

Nach Absage an CDU: Die Wahrheit ist: Die Grünen haben sich nicht getraut

Hinter der Absage an die Union verbirgt sich eine ziemlich schlichte Wahrheit: Die Grünen haben sich nicht getraut. Sie begreifen auch nur ungern, was ihnen in der Wahl zugestoßen ist. Vor allem ignorieren sie eines: Ihren zeitweise Aufschwung verdankten sie Leihstimmen.

Von Robert Birnbaum

Wenn Politiker damit anfangen, ihr Verhalten mit Metaphern zu begründen, dann ist immer etwas schief. Die Grünen malen nach ihrer vorläufigen Absage an eine schwarz- grüne Koalition viele, viele Bilder. Da ist von Brücken die Rede, die die Union geschlagen habe, überraschenderweise, die man aber irgendwie doch nicht belastbar genug finde. Da tauchen Türen auf, die zugenagelt sind, doch nicht so fest, dass sich die Nägel nicht wieder ziehen ließen. Also, jetzt mal unter uns: Hauen Sie bei sich zu Hause bei allfälligen Beziehungssorgen auch immer Drahtstifte ins Türblatt? Nein? Eben. Hinter der halbherzig angenagelten Tür verbirgt sich eine ziemlich schlichte Wahrheit: Sie haben sich dann doch nicht getraut.

Das ist nicht mal völlig unverständlich. Die Grünen haben mit einem linken Programm und dem Ziel Rot-Grün ihren Wahlkampf noch bestritten, als das Ziel längst Illusion war. Von den Stammwählern, die ihnen trotzdem treu geblieben sind, würden viele den Reißschwenk zur Union als Verrat empfinden. Das Bündnis wäre konfliktträchtig, allen Sirenengesängen von CDU und CSU zum Trotz, hinter denen ja auch ein gut Teil Verhandlungstaktik Richtung SPD steckt. Und die Angst vor der Dauer-Demo der eigenen Basis gegen jeden schwarz-grünen Energiewendekompromiss ist so berechtigt wie die Angst vor dem eigenen Parteitag.

Trotzdem haben sie ja selbst ein mulmiges Gefühl dabei, die Chance auszuschlagen. Das nächtliche Treffen hat viel mehr Gemeinsamkeiten offenbart, als man sich gegenseitig zugetraut hat. Noch in der Nacht hat die Grünen-Führung die Nägel gleich wieder gelockert. Vielleicht, dass man doch zusammenkommt, wenn es zwischen Union und SPD schlecht läuft?

Clevere Taktiker oder verunsicherte Partei?

Vielleicht. Nur: Was ist das für eine Partei, die den drohenden Staatsnotstand braucht, damit ihre Basis vielleicht das Regieren erträgt? Was ist das für eine Partei, die viele Gründe nennt, warum sie jetzt nicht über den Graben balancieren mag, diese Gründe aber im selben Atemzug für notfalls unwichtig erklärt?

Die Antwort ist leider: Das ist keine clever taktierende, sondern eine sehr verunsicherte Partei. Sie begreifen nur ungern, was ihnen in der Wahl zugestoßen ist. Da hat ja nicht eine aufstrebende kleine Volkspartei durch ein dusseliges Wahlkonzept einen kleinen Karriereknick erlitten. Sondern genau umgekehrt: Der zeitweise Aufschwung bis hinauf in die Stuttgarter Staatskanzlei verdankte sich Leihstimmen, zum beträchtlichen Teil aus dem bürgerlichen Lager. Diese Analyse riecht unangenehm nach FDP? Stimmt.

Offen ist übrigens, wie nachhaltig die bürgerliche Sympathisantenszene auf die Erfahrung reagiert, dass ihre heimlichen Helden im Ernstfall zurückzucken. Dazu kommt ein inhaltliches Problem. Viele Fragen, die heute ein schwarz-grünes Bündnis begründen könnten, werden sich nach vier Jahren Schwarz-Rot erledigt haben. Die Energiewende etwa wird auf dem Weg sein. Holprig vielleicht; aber umkehren oder auch nur mehr ins Grüne umleiten lässt sich das Mammutprojekt dann nicht mehr.

Da lauert die Gefahr, dass das einst so scharfe grüne Profil weiter verblasst, bis nur noch Größenwahn – Weltklimarettung! – und Orchideenthemen bleiben. Nicht richtig plausibel ist auch das Projekt, in der Rest-Opposition sowohl den bürgerlicheren Teil zu geben als auch die Tür zu Rot-Rot-Grün aufzustupsen. Die Grünen haben jetzt die Entscheidung gescheut. Und das soll in der Opposition leichter werden?

Viel spricht dafür, dass sich die Öko- Partei über diese Nacht im Herbst 2013 noch furchtbar ärgern wird. Für CDU und CSU hingegen ist sie prima gelaufen. Feindbilder sind geschliffen; selbst Horst Seehofer darf nun als einer gelten, der bei Bedarf ergrünt. Angela Merkel aber hat Optionen gewonnen: In den Gesprächen mit der SPD bleiben ihr die Grünen als Alternative erhalten, in einer großen Koalition bleiben sie dezentes Drohpotenzial, in vier Jahren ist alles denkbar.

Man kann es auch brutaler sagen. Angela Merkel hat die Bundestagswahl gerade ein zweites Mal gewonnen. Die Grünen haben sie noch einmal verloren. Die Haustür, die sie zugenagelt haben, war nämlich ihre eigene.

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