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Nach bin Ladens Tod: Wie gefährlich ist eine blamierte Atommacht Pakistan?

Pakistan hat in den jüngsten Tagen einen doppelten GAU erlebt. Die politische und die militärische Führung haben ihr Gesicht verloren. Was muss dem Westen nun mehr Sorge bereiten: Pakistans Unzuverlässigkeit oder seine Schwäche?

Schon lange kursierte der Verdacht, Pakistan betreibe ein Doppelspiel: Offiziell ist es mit den USA und der Nato verbündet im Kampf gegen den Terror und lässt sich dafür mit Milliardenhilfe belohnen. Doch heimlich schützen und unterstützen zumindest Teile der pakistanischen Elite al Qaida und die Taliban – Kräfte, die tödliche Anschläge auf Amerikaner, auf Deutsche und andere Europäer verüben. Pakistan tat das stets als böse Verleumdung ab. Doch wer mag das jetzt noch glauben – wenn selbst Osama bin Laden jahrelang unbehelligt in einer pakistanischen Garnisonsstadt leben konnte?

Pakistans Militär hat eine peinliche Demütigung erlitten. Sie erinnert an die Blamage der russischen Luftabwehr 1987: Damals flog der Deutsche Mathias Rust unentdeckt bis Moskau und landete auf dem Roten Platz. Das Militär der Supermacht, vor dem die halbe Welt zittern sollte, war der Lächerlichkeit preisgegeben, seine Abschreckungswirkung infrage gestellt.

Ähnliches geschieht in Pakistan. Das Militär ist der Stolz der Nation; es soll vor dem Erzfeind Indien schützen. Welchen Wert hat es überhaupt, wenn die Amerikaner ungestört in eine Garnisonsstadt einfliegen und eine Zielperson töten können?

Moskau feuerte damals Generäle. Das kann auch noch in Pakistan passieren. Zunächst erlebt die Welt eine hoch emotionale und auf den ersten Blick widersinnige Reaktion. Pakistan droht den USA mit Konsequenzen für die Zusammenarbeit. Hätte Pakistan nicht allen Grund, beschämt zu sein? Müsste es nicht versuchen, den Vertrauensverlust wettzumachen? Die USA und – in geringerem Maß – auch Deutschland stehen vor derselben Herausforderung: Sie haben allen Grund zu scharfen Reaktionen. Sie argwöhnten schon lange, dass Pakistan sie hintergeht. Was bei dem Zugriff ans Licht kam, wirkt wie ein Beweis. Die Opposition und die Medien machen es sich da leicht. In den USA fordern nun viele Strafe für Pakistans Verrat – den Entzug oder die Kürzung der Finanz- und Militärhilfe. Man kann das gut verstehen.

Eine Regierung trägt mehr Verantwortung und kann ihren berechtigten Gefühlen nicht so freien Lauf lassen. Pakistan ist unzuverlässig und doch wichtig. Wer in absehbarer Zeit aus Afghanistan abziehen möchte, ohne Chaos zu hinterlassen, muss ein Minimum an Kooperation aufrechterhalten. Es wäre auch gefährlich, ein Land mit Atomwaffen in dieser explosiven Region in die Isolation zu drängen und noch weniger berechenbar zu machen. Die Regierung Obama wird auf die umgekehrte Strategie setzen. Kein Weiterso, als wäre nichts geschehen. Aber sie wird sagen: Wir wollen weiter kooperieren, ihr müsst jedoch Loyalität beweisen und verlässlicher werden. Das ist nicht populär. Aber klug.

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