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Meinung: Nach dem ScherbengerichtIn der Krise will sich die FPÖ von Haider emanzipieren

Von Paul Kreiner Solche Töne waren von der FPÖ noch nie zu hören. „Ich entschuldige mich bei der österreichischen Bevölkerung", sagte Fraktionschef Karl Schweitzer, „für das unwürdige Schauspiel, das wir geboten haben.

Von Paul Kreiner

Solche Töne waren von der FPÖ noch nie zu hören. „Ich entschuldige mich bei der österreichischen Bevölkerung", sagte Fraktionschef Karl Schweitzer, „für das unwürdige Schauspiel, das wir geboten haben." Bisher waren immer die anderen Schuld, wenn es der FPÖ schlecht ging: der politische Gegner, die Medien. Diesmal aber, in der größten Krise der Partei – eine Wende? Entsteht da auf den Trümmern der Führerpartei, aus den Ruinen des Haider-Wahlvereins eine neue rechtskonservative Kraft, zivilisiert, verlässlich, salon- und regierungsfähig?

Auch wenn der Parteitag heute eine neue Führung wählt, die FPÖ steht weiter unter Schock. Zunächst werden sich die Delegierten um den unverbrauchten Mathias Reichhold scharen. Sie werden seine „harten Spielregeln" akzeptieren. Weil sie angesichts des Scherbenhaufens keine andere Wahl haben. Haider will zum erstenmal seit seiner Machtergreifung vor sechzehn Jahren nicht am Parteitag teilnehmen; Reichhold fühlt sich stark aus eigener Kraft und hat keinerlei Ergebenheitsadresse an Haider geschickt. Das sind Signale. Aber wie lange werden sie gelten?

Gewiss, diesmal betrachten selbst Haiders engste Wegbegleiter seinen Rückzug als endgültig. Und viele in der FPÖ wünschen erstmals, es möge so sein. Haiders wirres Vor und Zurück hat ihn Freunde gekostet und jene Wirtschaftskreise verprellt, welche die Parteikasse füttern. Sie wollen den wirtschaftsliberalen Kurs, für den die FPÖ auch steht, endlich störungsfrei exekutiert sehen – ein berechtigter Wunsch im staatsfixierten Österreich und angesichts einer möglichen Rückkehr der SPÖ an die Macht. Haider hat die größte Fehleinschätzung seiner politischen Laufbahn begangen, als er gegen Parteiführung und Regierung putschte und meinte, daraus als Stärkster hervorzugehen. Aber wirklich ausbremsen konnte ihn nur die parteinahe Unternehmerlobby – und die psychische Depression, die ihn immer wieder heimsucht.

Auch wenn sich nicht sagen lässt, wie stark die FPÖ bei den Wahlen im November verlieren wird – die 27 Prozent von 1999 wird sie mit Sicherheit verfehlen. In zwei Monaten lässt sich die Partei nicht so stabilisieren, dass die Wähler verlässlich wissen, was sie an ihr haben. Aber was dann? Kehrt Haider mit Getöse zurück, mitsamt der lediglich ruhig gestellten Putschisten? Gründen sie eine Konkurrenzpartei? Österreich hat in den letzten fünfzig Jahren kein solches politisches Gebrause erlebt wie zur Zeit. Die Szene wandelt sich – Überraschungen eingeschlossen.

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