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Diese Aufnahme einer Überwachungskamera zeigt Tamerlan Zarnajew, einen der mutmaßlichen Boston-Bomber.

© rtr

Nach den Anschlägen in Boston: Wie integriert sind Amerikas Muslime?

Die tödlichen Bombenanschläge beim Boston-Marathon haben die USA geschockt. Die mutmaßlichen Täter: Zwei Brüder mit tschetschenischen Wurzeln. Haben die USA ein Problem mit Muslimen, die erst in Amerika zu Islamisten werden?

Amerika hatte der Familie vor zehn Jahren Asyl gegeben, als sie nicht mehr nach Tschetschenien zurückkonnten, weil dort Krieg herrschte. Den Söhnen öffneten sich Schulen, Universitäten und die Aussicht auf ein besseres Leben. Was bringt sie dazu, einen Terroranschlag auf die Gesellschaft, die sie aufnahm, zu verüben – in Boston, ihrer neuen Heimat?

Sie schienen zu Amerikanern geworden zu sein, trugen Fleece-Jacken und Baseballmützen. Tamerlan, der Ältere, boxte erfolgreich und wollte international lieber für die USA als für Russland antreten. Er heiratete eine Amerikanerin, hatte ein Kind. Dschochar wollte Zahnarzt werden, fuhr Skateboard, galt als witzig, führte das Ringer-Team der High-School an.

Jede westliche Gesellschaft kennt die Sorge, dass Einwanderer scheitern und zu Gewalttätern werden, weil der Kulturschock und die Konflikte aus ihren Herkunftsländern sie einholen. Die USA fühlen sich nun besonders herausgefordert. Erstens sehen sie sich als Vorbild. Seit mehr als 200 Jahren macht der „melting pot“ Immigranten zu Amerikanern.

Zweitens häufen sich die Beispiele, die diese Selbstwahrnehmung herausfordern. 2010 erschoss Major Hasan Nidal in Fort Hood, Texas, 13 Kameraden, kurz bevor er in den Afghanistaneinsatz sollte. Er ist in den USA als Kind von Palästinensern geboren. Galt die Armee nicht als Instrument der Integration? Faisal Shahzad, der am Times Square in New York eine Autobombe abstellte, stammt aus einer wohlhabenden Familie in Pakistan, hatte in den USA studiert und die Staatsbürgerschaft angenommen. Gleich mehrere Kosovo-Albaner waren in jüngerer Zeit an Terrorplänen beteiligt. Und nun die Tschetschenen.

Haben die USA ein besonderes Problem mit Muslimen, die erst in Amerika zu Islamisten werden? Das ist die Ausnahme von der Regel. Muslime gelten generell als besser integriert, auch weil sie meist höhere Bildung und Einkommen haben als andere und oft Partner anderer Religion heiraten.

Das Beispiel der Zarnajews zeigt aber, wie lange das vergangene Leben Neuankömmlinge begleitet. Nicht alle fassen Fuß wie der Onkel der beiden, der über ihr Motiv sagt: Sie waren Verlierer und empfanden Hass auf die Erfolgreichen. Es gab Anzeichen für die Spaltung der Familie und den wachsenden Zorn der Gescheiterten. Vater Zarnajew kehrte nach Russland zurück, die Mutter wurde beim Diebstahl erwischt. Tamerlan brach das Studium ab, wurde religiöser. Sein Einfluss brachte den jüngeren Bruder Dschochar vom Integrationsweg ab. Hinweise gab es auch bei Major Nidal und Faisal Shahzad.

„Ich fühle mich mitschuldig, weil ich es nicht habe kommen sehen“, sagt eine Mitstudentin Dschochars. Der Staat kann allein wenig tun. Nachbarn, Lehrer, Arbeitskollegen, Bekannte können hinsehen, Hilfe anbieten und notfalls Behörden warnen. Den Menschen im Umfeld ist es ja auch zu verdanken, dass Millionen Iraker, Afghanen, Pakistani, Eriträer, Kaukasier, die Amerika aufgenommen hat, nicht in Gefahr geraten, gewalttätig zu werden.

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