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Politischer Klimawandel? Sigmar Gabriel (SPD) liest das aus der NRW-Wahl heraus.

© Reuters

Nach der Wahl in NRW: Nur die Ruhe

Sigmar Gabriel träumt nach der NRW-Wahl vom politischen Klimawandel. Aber Prognosen für die Bundestagwahl sollte noch niemand wagen, immerhin ist sie noch anderthalb Jahre hin - da kann noch viel geschehen, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Von Antje Sirleschtov

Wenn Sigmar Gabriel von einem politischen Klimawandel spricht, den die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ausgelöst hat, sollten besonnene Genossen vorsorglich ein Regencape einpacken. Es könnte sein, der sozialdemokratische Dauer- Hochsommer, den Gabriel zu erkennen glaubt, wird feuchter, als mancher annimmt. Landtagswahlen nämlich, zumal vom Charisma der Kandidaten beherrschte wie in NRW, können zwar Trends in der großpolitischen Wetterlage erkennen lassen. Weshalb der SPD-Vorsitzende mit der Feststellung auch recht hat, dass seit Sonntag rot-grünes Regieren im Bund ab 2013 gefühlt denkbarer ist als noch Wochen zuvor.

Aber: Bis zur Bundestagswahl sind noch ganze 16 Monate Zeit. Da verändert der Himmel bekanntlich noch oft sein Antlitz. Vor ein paar Monaten schienen die Grünen noch zur dritten Volkspartei heranzureifen, wovon am Sonntag wenig zu spüren war. Ähnlich die FDP: Wer hätte vor acht Wochen mit strahlenden Mienen bei den Liberalen gerechnet? Und dann steht im September 2013 auch nicht einer wie Norbert Röttgen zur Wahl, sondern mit Angela Merkel die noch immer beliebteste deutsche Politikerin. Während das Gesicht ihres Herausforderers von der SPD noch monatelang unkenntlich bleiben wird. Will heißen: Das Fiasko, das Merkel und ihre CDU in NRW erlebt haben, mag im Moment ein grelles Licht auf die Schwächen der Kanzlerinnenpartei werfen. Die Tatsache, dass Sigmar Gabriels SPD im Bund derzeit nur rund 26 Prozent schafft, sollte man darüber jedoch nicht vergessen. Und schon gar nicht davon ausgehen, dass sich die Grünen wie selbstverständlich zum kleineren Teil eines rot-grünen Projekts machen ließen. Der Ausgang von Wahlen ist nicht nur von politischen Grundstimmungen abhängig. Wer gewinnt und wer verliert, das hängt immer mehr von tagesaktuellen Ereignissen und, wie man in Nordrhein-Westfalen gesehen hat, vom persönlichen Vermögen der Politiker an der Spitze der Parteien ab.

Bildergalerie: Wie Politiker auf die NRW-Wahl reagierten

Der überzeugende Sieg von Hannelore Kraft – sie hat beinahe 40 Prozent der Nordrhein-Westfalen für sich eingenommen – muss damit noch lange nicht den Beginn einer rot-grünen Zeitenwende bedeuten. Im Gegenteil. Ihre Stärke könnte über kurz oder lang sogar zum Problem für die Troika in Berlin werden. Schließlich stellt sich die Frage, warum der in der SPD umstrittene Peer Steinbrück, der sprunghafte Sigmar Gabriel oder der harmoniebedürftige Frank-Walter Steinmeier allein um das Kanzleramt kämpfen sollten – und nicht die Frau, die ganz offensichtlich weiß, wie man als Sozialdemokrat Wahlen überzeugend gewinnt.

In der Tat hat Hannelore Kraft keineswegs die Wahl am Sonntag nur mit ihrem Kümmerer-Image als Landesmutter für alle Menschen gewonnen. Sie hat sich vielmehr als tief in ihrer Partei verankerte Sozialdemokratin gezeigt, die es versteht, die unterschiedlichen Strömungen der SPD an sich zu binden und aus deren Gemeinsamkeit eine Anziehungskraft für große Teile der Bevölkerung zu entwickeln. Ihre Bodenständigkeit, ihre Ruhe und die Verlässlichkeit, die sie ausstrahlt, lassen sie zu dem werden, was seit Urzeiten Anspruch der Sozialdemokratie ist, nämlich glaubwürdiger Interessenvertreter der kleinen Leute zu sein.

Genau aus diesem Grund wird Kraft auch die Zusage einhalten, Nordrhein- Westfalen zu regieren und nicht kommendes Jahr in Berlin gegen Angela Merkel in den Wahlkampf zu ziehen. Das mag für alle, die es heute weder Gabriel noch Steinmeier oder Steinbrück zutrauen, die Regierungschefin in eineinhalb Jahren aus dem Kanzleramt zu treiben, eine schmerzliche Botschaft sein. Und manch ein Manko der Troika sogar noch deutlicher ins Scheinwerferlicht rücken.

Die Alternative, ihre Kanzlerkandidatur also, würde die Glaubwürdigkeit von Hannelore Kraft allerdings infrage stellen und der SPD am Ende mehr schaden als nützen. Das ist vielleicht das Wichtigste, was man aus der Wahl in NRW lernen kann: Die Wähler belohnen nicht zwingend den mit den überzeugendsten Botschaften. Sie wollen in erster Linie von Menschen regiert werden, denen man vertrauen kann.

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