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Meinung: Nahost-Konflikt: Arafat am Ende der Redespirale

Die Welt danach: Israelische Panzer rücken vor, nehmen eine palästinensische Stadt ein. Wieder gibt es Tote.

Die Welt danach: Israelische Panzer rücken vor, nehmen eine palästinensische Stadt ein. Wieder gibt es Tote. Das Muster wirkt bekannt. Aber die Wahrnehmung verändert sich - und die Begründung für das Handeln mit ihr. Palästinenserchef Jassir Arafat hält Israel vor, die angespannte Lage auszunutzen. Nur wird er es von jetzt an schwerer haben, Gehör zu finden; denn Israels Außenminister Schimon Peres sagt, wie sich die altbekannte Reaktion neu rechtfertigen lässt: Nach den Anschlägen in New York und Washington muss sich Arafat "endgültig von der Welt des Terrorismus lossagen". Oder die Konsequenzen fürchten.

Der Nahe Osten ist am Ende einer Redespirale angekommen. Arafat, aber auch kein anderer arabischer Regierungs- oder Staatschef wird von nun an in Arabisch anders reden können als in Englisch. Im Ausland soft, im Inland hart. International die Opfer bedauern und den Frieden beschwören, zu Hause das Empfinden des eigenen Volks mit feindlichen Worten aufwiegeln - diese Diskrepanz wird die westliche Vormacht nicht mehr dulden. Und auch keiner ihrer Verbündeten, von Israel angefangen.

Die Zeit der Arafats ist vorbei. Will heißen: Die Hintermänner des blutigen Attentats von Jerusalem stehen auf einer Namensliste, die ihm die Israelis übergeben haben. Dennoch laufen die Terroristen weiter frei herum. Arafat verurteilt den Terror in Amerika. Aber 4000 Angriffe mit 100 000 Schüssen auf Israelis sprechen dagegen. Es ist Arafat, der erwägt, Hamas- und Jihad-Terroristen in seine Autonomiebehörde einzubeziehen - obwohl er 1993 den Oslo-Vertrag unterschrieben und in einem Brief an Rabin auf Terror verzichtet hat. Es war Arafat, der Israel zum Frieden mahnte, aber nach dem weitest reichenden Friedensangebot von Camp David die Gewalt wählte.

Die Arafats der Region tragen dafür Verantwortung, dass im Nahen Osten nun auch kein "negativer Frieden" mehr herrscht, wie das Wörterbuch der Sicherheitspolitik die "Abwesenheit organisierter kollektiver Formen der Gewalt" bezeichnet. Saddam Hussein, der irakische Diktator, hat Freude über die schrecklichen Ereignisse von New York und Washington bekundet; das wird die Supermacht USA früher oder später bestrafen.

Der Terroranschlag hat die Konfrontationsachse verschoben. Und Europa wird zu seinem Verbündeten USA stehen. Auch stehen müssen, denn die gemeinsame Konfrontrationslinie zumal für den Westen verläuft durch den Mittelmeerraum und den Nahen Osten: Unterentwicklung und Überbevölkerung sind Nährboden für radikalen Islam. Die zum Teil gewaltige Bevölkerungszunahme kann die arabischen Länder wirtschaftlich und sozial weiter destabilisieren, kann extreme, fundamentalistische Gruppen stärken, die Staaten außenpolitisch radikalisieren. Und dies vor dem Hintergrund der Weiterverbreitung von Technik für Raketen, für chemische und biologische Waffen. Libyen, Syrien, Irak, Jemen, sie zum Beispiel sollen über ballistische Flugkörper verfügen. Und wohl auch über das Knowhow für Atomwaffen.

Was für frühere Jahre vorhergesagt worden war, das Jahrzehnt der Unwägbarkeiten, jetzt ist es da. Das Grundmuster ist insofern anders, als die Stimmung einerseits von Angst geprägt ist, andererseits vom Willen, notfalls die Eskalation nicht zu scheuen. Gemeinsame Priorität des Westens wird es jetzt auf Druck der herausgeforderten Supermacht USA werden, die (relative) Sicherheit wieder herzustellen. Dazu sind auch, wie Israel demonstriert hat, präventive Maßnahmen nötig. Das so genannte strategische Rational ist Abschreckung von weiterer Gewalt. In den Worten des israelischen Botschafters in Berlin, Schimon Stein: "Wir befinden uns in einem bewaffneten Konflikt, und wir können es uns nicht leisten, diesen Krieg zu verlieren."

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