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Nahost-Konflikt: Bist du zu stark …

… ist er zu schwach: Barack Obamas Nahostdiplomatie droht zu scheitern. Sie ist erstaunlich dilettantisch.

Im Prinzip ist der Nahostkonflikt leicht zu lösen. Israelis und Palästinenser haben sich in Hunderten von Verhandlungsrunden sehr weit angenähert. Sie wissen, was sie realistischerweise erwarten können.

Was also ist klar? Erstens: Es wird zwei Staaten geben. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu hat sich dazu bekannt. Zweitens: Die Grenze wird ungefähr entlang der grünen Linie verlaufen, die bis 1967 Israel von der Westbank getrennt hat. Drittens: Die Palästinenser bekommen nicht exakt das Territorium der Westbank zurück, sondern Israel behält einige große Siedlungsblöcke und kompensiert dafür die Palästinenser mit einem Gebietstausch. Viertens: Das Gros der in der Westbank verbleibenden Siedlungen wird geräumt. Fünftens: Jerusalem wird die Hauptstadt von beiden Staaten. Das heißt nicht, dass die Stadt erneut geteilt wird. Sechstens: Die palästinensischen Flüchtlinge erhalten ein Rückkehrrecht, das allerdings eher symbolischen Charakter hat und die jüdische Identität des Staates Israel nicht gefährdet. Siebtens: Die Palästinenser werden finanziell für enteigneten Grundbesitz entschädigt. Achtens: Ein Staat Palästina wird nur eingeschränkt über den Aufbau einer eigenen Armee befinden dürfen.

Vor diesem Hintergrund ist die Nahostdiplomatie von Barack Obama erstaunlich dilettantisch. Dabei begann alles ganz gut. Mit George Mitchell ernannte der US-Präsident einen erfahrenen Gesandten, in seiner Rede in Kairo präsentierte er sich als ehrlicher Vermittler, und er rang Netanjahu das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung ab. Dann aber verließ ihn sein politischer Instinkt. Ohne jede Differenzierung sendete er das Signal aus, dass ein vollkommener Siedlungsbaustopp eine Bedingung sei für die Rückkehr an den Verhandlungstisch. Dabei ließ er die Frage offen, ob das für Ostjerusalem ebenso gilt wie für den Rest der Westbank. Damit wiederum ermunterte er die israelische Seite, einen vollkommenen Siedlungsbaustopp abzulehnen – unter anderem mit dem Hinweis auf die besondere Bedeutung Jerusalems. Dem schließlich fügte sich der US-Präsident zähneknirschend.

Prompt gab Palästinenserpräsident Mahmud Abbas entnervt auf, während sich Netanjahu zu Hause als Held feiern lässt, der den mächtigen, drängenden Bruder an der Nase herumgeführt hat. Nicht nur das britische Magazin „Economist“ fragt folglich besorgt: „Ist Israel zu stark für Barack Obama?“ In der Tat steht der US-Präsident vor einem Scherbenhaufen, der noch größer ist, als er zu Beginn seiner Amtszeit war. In Israel ist sein Ansehen auf einem Tiefpunkt, auch in der arabischen Welt hat seine Popularität gelitten.

Die zentrale Kritik: Obama hätte bedenken müssen, dass Siedlung nicht gleich Siedlung ist. Wenn ohnehin der Verbleib einiger Siedlungen bei Israel faktisch feststeht, hätte sich seine Forderung nach einem Baustopp auf die vergleichsweise unumstritten illegalen Siedlungen in der Westbank beschränken müssen. Das klingt nur wie Haarspalterei. In der Praxis gehört es zum Grundwissen amerikanischer Nahostdiplomatie.

Doch damit nicht genug. Am zweiten Pulverfass in der Region brennt nun die Lunte. Der Iran hat das Kompromissangebot der UN-Vetomächte und Deutschlands im Atomstreit brüsk abgelehnt. Teheran wird sein schwach angereichertes Uran nicht ins Ausland senden, um es dort weiter anreichern zu lassen. Hat Obama einen Plan B im Umgang mit den Mullahs? Vor zwei Wochen erst flog eine gigantische Waffenlieferung des Irans an die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon auf. Auch das veranlasste Washington zu keiner Kurskorrektur. Die Zeichen mehren sich: In Nahost steht Obamas Politik der ausgestreckten Hand vor einem Debakel.

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