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Meinung: Nahost: Scharons gefährliche Kalkulation

Israel spielt mal wieder mit dem Feuer. In früheren Jahren hat es die Hamas als interne palästinensische Opposition aufgebaut.

Israel spielt mal wieder mit dem Feuer. In früheren Jahren hat es die Hamas als interne palästinensische Opposition aufgebaut. Sie sollte die Macht der PLO brechen. Später erst merkte Israel, dass es sich da einen weit radikaleren Gegner herangezogen hatte. Heute untergräbt die Ermordung von führenden palästinensischen Islamisten Arafats Position. Das ist fatal, denn damit stärkt Israel die Position von Hamas und Jihad. Der israelische Premier Scharon hofft offenbar, dass Arafat nur noch weiter in die Ecke gedrängt werden muss, um intern gegen Hamas und Jihad, die für Terroranschläge in Israel verantwortlich sind, vorzugehen. Doch das ist eine gefährliche Fehlkalkulation.

Denn die israelische Liquidationspolitik heizt die Stimmung in den besetzten Gebieten an, zumal Israel bei den Anschlägen auch den Tod von Passanten in Kauf nimmt. Die Positionen werden extremistischer und alle Meinungsverschiedenheiten, wie Israel dazu gebracht werden kann, die Besatzung zu beenden, sind vergessen. Diese Stimmung hat der Fatah-Führer der West-Bank, Marwan Barghouti, aufgefangen mit seiner Forderung, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, unter Einschluss von Hamas und Jihad. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass Barghouti sich selbst im Visier der Israelis sieht, seit sein Leibwächter wenige Meter von ihm entfernt nur knapp einem israelischen Anschlag entkommen ist. Ob der Anschlag nun Barghouti gegolten hat oder nicht - er ist zumindest als Warnung an ihn zu verstehen. All das ist der wenig verwunderliche Effekt der aktuellen israelischen Politik: Barghouti, der die Selbstmordanschläge in Israel ablehnt, lädt Gruppen, die genau das tun, zur Zusammenarbeit auf höchster Ebene ein.

Dieser Versuchsballon steigt gewiss nicht ohne die Zustimmung Arafats, der zu Recht befürchtet, dass seine Aktien bei den Palästinensern sinken. Via Barghouti zeigt Arafat nun, dass er sich angesichts der äußeren Bedrohung mit seinen internen Gegnern solidarisiert. Das ist eher ein Symbol als reale Chance. Diese Einheitsregierung wird es kaum geben, schon weil Hamas bisher stets die Regierungsverantwortung ablehnte.

Scharons Hoffnung, dass Arafat nun gegen Hamas vorgeht, wird sich allerdings noch viel weniger erfüllen. Angesichts der Kräfteverschiebung innerhalb des palästinensischen Lagers und Israels Kompromisslosigkeit wäre er dazu wohl auch beim besten Willen nicht in der Lage. Daher hat Außenminister Peres Recht, der fordert, dass Israel verhandeln und Arafat politische Perspektiven geben soll. Genau darauf hatte Arafat gewartet - vor Wochen, als US-Außenminister Powell in der Region war. Er sollte den Israelis abringen, dass sie den Teil des Mitchell-Reports, der den Stopp des Siedlungsbaus fordert, akzeptieren. Vergebens. Wenn Peres jetzt den Deal "Waffenruhe gegen Aufhebung der Wirtschaftsblockade" anbieten will, ist das zu wenig und zu spät.

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