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Meinung: Neubeginn in Berlin: Sie schulden uns Offenheit

Roland Koch, Regierungschef in Hessen, und Thomas Goppel, Generalsekretär der CSU, drohen aus falschem Anlass mit dem richtigen Thema. Richtig ist es, dass die anderen Bundesländer dem Land Berlin jetzt den Finanzausgleich um die Ohren hauen.

Roland Koch, Regierungschef in Hessen, und Thomas Goppel, Generalsekretär der CSU, drohen aus falschem Anlass mit dem richtigen Thema. Richtig ist es, dass die anderen Bundesländer dem Land Berlin jetzt den Finanzausgleich um die Ohren hauen. Falsch ist der Anlass dieser Schlägerei: die PDS. Denn es war eine große Koalition aus CDU und SPD, die der Hauptstadt ihre Finanzkrise eingebrockt hat. Aus dieser Verantwortung sollten Bund und Länder die Stadt Berlin nicht entlassen, unabhängig davon, wer sie regiert.

Zum Thema Online Spezial: Machtwechsel in Berlin Anfang vom Ende: Die Finanzkrise in Berlin TED: Soll der Regierende Bürgermeister direkt gewählt werden? Es wächst die Gefahr, dass in den kommenden Monaten des Wahlkampfes diese Hauptsache mehr und mehr aus dem Auge gerät. Berlin ist insolvent, und die Stadt ist reif für den Konkursrichter. Ob Politiker, die jetzt für Neuwahlen kandidieren, dazu taugen, darf man bezweifeln. Denn Insolvenzverwalter dürfen von den Akteuren, Gläubigern und Schuldnern nicht geliebt werden. Politiker müssen aber geliebt werden, sonst werden sie nicht gewählt. Da sich Berlin nun einmal zu dem - die Sanierung der Stadt verteuernden und verzögernden - Verfahren der Neuwahl entschieden hat, bleibt für den abstimmenden Büger nur ein Rat: Die Kandidaten immer auch unter der Frage zu beurteilen, ob sie zum Insolvenzverwalter taugen, dabei die (hypothetische) Drohung im Nacken, dass bei Zuwiderhandlung die Geberländer den Hahn des Finanzausgleichs zudrehen könnten. Denn der Länderfinanzausgleich fußt auf dem bündischen Prinzip der Solidarität. Misswirtschaft zu prämieren, wird niemand als Akt der Solidarität interpretieren wollen.

Dann erst wird die Krise verstanden: Es geht um mehr als das Fehlverhalten einer Staatsbank, die über ihre Verhältnisse gelebt und die falschen Immobiliengeschäfte gemacht hat. Es geht auch um mehr als die Befreiung der Bürger von einer politischen Klasse und einem über die Jahre verfilzten personellen Netz. Für die Krise der Stadt sind ihre Strukturen verantwortlich; die politischen Akteure haben sich darin komfortabel eingerichtet. Die strukturelle Bilanz aber heißt: Kein Bundesland ist so erfolglos wie Berlin. Wäre Berlin eine börsennotierte Aktie, der Kurs wäre schon längst tief im Keller. Zum Beleg reichen Zahlen: Die Pro-Kopf-Verschuldung Berlins ist doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Die Bilanz sind Schulden von fast 70 Milliarden Mark, die jetzt - wahrscheinlich zu Lasten nachfolgender Generationen - noch einmal um sechs Milliarden Mark erhöht werden. Selbst erwirtschaften Berlins Bürger gerade einmal halb so viel wie die Hamburgs. Die Steuereinnahmen reichen gerade aus, um die Gehälter des öffentlichen Dienstes zu bezahlen.

Dem guten Politiker in der Rolle des Insolvenzverwalters stellt sich eine zentrale Aufgabe: Berlin muss schonungslos privatisiert werden - von der Bankgesellschaft bis zu Stadtreinigung und Verkehrsbetrieben. Viel Kasse kann damit nicht gemacht werden. Aber der für den Bürger teure Filz aus Politik, öffentlichen Unternehmen und Gewerkschaften würde gebrochen. Zugegeben, der Wechsel der Rechts- und Eigentumsform - öffentlich oder privat - ist noch kein Erfolgsrezept. Aber öffentliche Unternehmen neigen zu besonderen Ineffizienzen, weil ihre Gesellschafter immer auch andere Ziele (Arbeitsplätze für Bürger, persönliches Prestige) verfolgen. Und das ist immer teuer. Diese Hausaufgaben sollten die Berliner von ihren Politikern einfordern. Erst anschließend dürfte die Politik über Wohltaten sprechen - über Bildung und Kultur, über Biotech und Babelsberg. Erst anschließend auch dürfte sie den Bund und die Länder in ihre Hauptstadtpflicht nehmen.

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