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Meinung: Nicht bis heute Nacht, Baby

Wir Deutschen stecken bekanntlich voller Selbstzweifel. Da muss schon ein gewaltiger Schub von positiver Energie her, ein Ruck von geradezu kosmischen Ausmaßen.

Wir Deutschen stecken bekanntlich voller Selbstzweifel. Da muss schon ein gewaltiger Schub von positiver Energie her, ein Ruck von geradezu kosmischen Ausmaßen. Der Sänger Max beispielsweise, unser Mann in Istanbul, hätte es in der Hand, durch eine angemessene Darbietung das entscheidende Signal in die Heimat zu senden. Doch was wird er stattdessen am heutigen Montag bei Beckmann verkünden? Nun ja, wird er sagen, also, der Sieg beim Grand Prix, da glaube er nicht so richtig dran, denn das habe ja nur wenig mit den Fähigkeiten der einzelnen Künstler zu tun. Ein Siegertyp ist er also nicht, aber das kennen wir ja aus den Erklärungen unserer Bundesregierung, was alles am Schlamassel schuld sei: die Weltkonjunktur, die Ölpreise, die schiefe Achsenstellung der Erde… Bei Max, dem kommenden Verlierer hört sich das so an: „Politische Dinge, Kultur, Religion und Sympathie“ würden die Entscheidung beeinflussen. Doch da kann man durchaus was machen. Wofür steht Alex? Er steckt rund ums Jahr in einem für alle Religionen und Anlässe geeigneten schwarzen Rollkragenpullover, er zieht Sympathie auf sich, weil er anders als seine Vorgängerin Nicole nicht mit gellender Stimme unerfüllbare Forderungen stellt, sondern nur lakonisch mitteilt: Ich kann warten bis heute Nacht, Baby. Hm. Ein bisschen mehr politisches Profil vielleicht? Er könnte beispielsweise in der letzten Strophe eine amerikanische Flagge verbrennen. Das sollte ihm zwölf Punkte von allen Seiten sichern. Und die Amerikaner kaufen die Platte ja sowieso nicht.

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