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POSITIONEN: Nicht frömmelnd, sondern fromm

Ein Nachfolger für Kardinal Sterzinsky muss gefunden werden

Kirche in säkularer Gesellschaft muss anschlussfähig sein. Was nutzt es der Kirche, wenn sie nach innen den „Heiligen Rest“ sammeln will, nach außen aber belächelt wird oder unverstanden ist? Sie würde wohl kaum dem Auftrag Jesu „Geht hinaus in alle Welt“ gerecht werden können. Kardinal Sterzinsky, der nun nicht mehr amtierende Erzbischof von Berlin, hatte keine Berührungsängste vor Andersdenkenden. Spirituell und intellektuell war er gut aufgestellt für den angstfreien und wertschätzenden Dialog mit den anderen. Sein Nachfolger sollte es auch sein. Und er sollte gefunden werden, bevor Papst Benedikt XVI. im September die Stadt besucht.

Dialog heißt, auch zuhören zu können. Gott spricht möglicherweise auch durch Menschen außerhalb der Kirche zu uns. Reflexhafte Gegnerschaft zur säkularen Gesellschaft ist deshalb wenig hilfreich. „Prüft alles und behaltet das Gute“ rät Paulus. Wenn es um die gerechte Sache geht, können wir uns mit vielen Akteuren der Gesellschaft verbünden, die ansonsten kaum im Verdacht stehen, Parteigänger der Kirchen zu sein.

Der Diözesanrat hat sich unlängst auf der Basis der katholischen Soziallehre für die Belange des Berliner Wassertisches und den Wasser-Volksentscheid eingesetzt. In vielen anderen Bereichen bürgerschaftlichen Engagements ist dies ebenfalls möglich. Das bedeutet nicht Preisgabe katholischer Positionen. Im Gegenteil, wir bringen sie in den politischen Diskurs ein. „Je mehr ein Mensch in Gott verwurzelt ist, desto politischer ist er“, sagt der Wiener Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner. Ich hoffe auf einen Bischof, der ganz in diesem Sinne nicht frömmelnd, sondern fromm ist.

Die Zeit der Volkskirche ist vorbei. In Berlin wie im gesamten Osten Deutschlands war die Katholische Kirche ohnehin immer in der Diaspora. Das Wort Jesu vom „Salz der Erde“, das die Christen sein sollen, zielt nicht auf die große Masse ab. Salz der Erde, das können durchaus wenige sein, wenn sie nur – entsprechend dem Motto des Kölner Kirchentags von 2007 – „lebendig und kräftig und schärfer“ sind. Der Blick nach draußen, über den eigenen Kirchturm hinaus, könnte zudem den Gemeinden helfen, die lähmende Selbstbespiegelung in Folge der notwendigen Strukturreformen zu überwinden. Der neue Erzbischof von Berlin sollte die „kleine Herde“ sammeln und auf diesem Weg mitnehmen und begeistern.

Zum Glück ist die „kleine Herde“ nicht allein. Dreißig christliche Mitgliedskirchen zählt der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg, der damit die größte Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland ist. Hinzu kommen noch die im Internationalen Konvent Berlin-Brandenburg und im Rat der afrikanischen Christen organisierten Gemeinden und Gemeinschaften. In Berlin ist die Ökumene nicht nur eine Angelegenheit zwischen Evangelischen und Katholischen, sie ist multilateral. Der neue Erzbischof von Berlin muss deshalb wie sein Vorgänger ein Mann der Ökumene sein.

Miteinander und nicht gegeneinander ist ebenso das Leitmotiv für den interreligiösen und interkulturellen Dialog in dieser Stadt. Auch hier braucht es einen Bischof ohne Berührungsängste, einen, der die Buntheit und Vielstimmigkeit dieser Stadt nicht nur nicht fürchtet, sondern schätzt. Neugierig sollte er sein auf die Geschichten, Erfahrungen und Erlebnisse der anderen. Und wo nötig, sollte er wie sein Vorgänger für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten kämpfen.

Als guter Seelsorger wird der neue Erzbischof ein Herz für das Unangepasste haben und Verständnis dafür, dass im Leben nicht immer alles so läuft, wie es die katholische Morallehre gern hätte. Das bedeutet keineswegs, ethische Positionen aufzugeben oder, wo nötig, mit aller Konsequenz für katholische Positionen zu stehen. Auf die Haltung kommt es an. „Proposer la foi!“ sagt die französische Kirche. Wir haben nichts zu diktieren, wohl aber einen guten Vorschlag zu machen.

Der Autor ist Vorsitzender

des Diözesanrats der Katholiken

im Erzbistum Berlin.

Wolfgang Klose

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