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Meinung: Nichts sehen und nichts hören

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky nervt die SPD – das ist nicht sein Problem.

Gestern hat der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses getagt. Unter den Zuhörern war Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Er hatte eigentlich berichten wollen, was er bei seinen Reisen nach Rotterdam und London zum Thema Kriminalitätsbekämpfung gelernt hatte. Aber die Sozialdemokraten und die Vertreter der Linken im Ausschuss wollten den SPD-Mann nicht hören. Dafür hatte es zunächst formale Gründe gegeben, aber einer der Linken machte dann aus seinem Herzen doch keine Mördergrube und sprach Klartext: Man wollte Fachleute hören und keine Reiseberichte.

Mit formalistischen Begründungen hatte schon die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus abgelehnt, den Bezirksbürgermeister anzuhören. So etwas sei nicht üblich, wurde ihm bedeutet.

Sich Erfahrungen von außerhalb nicht zu eigen zu machen, sich gegen sie zu sperren, war, parteiübergreifend, Westberliner Tradition. Wer hier vor ’89 nicht mindestens seit Uni-Zeiten Politik gemacht hatte, hatten keine Chance. Richard von Weizsäcker ist der weiße Rabe der neueren Stadthistorie.

Nun sollte man denken, eine Volljährigkeit nach der Wiedervereinigung und mit mehr als einer Million neu Zugezogener in der Stadt habe sich das geändert. Hat es sich nicht. Zumindest auf dem linken Flügel des Abgeordnetenhauses scheint immer noch die Devise zu herrschen, dass man Reisende zwar nicht aufhalten, ihnen aber auf gar keinen Fall zuhören solle. Das ist, vorsichtig formuliert, kurzsichtig. Nicht nur Neukölln – aber dieser Bezirk ganz besonders – hat ein Problem mit Migrantenkindern und deren Eltern, die sich jedem Versuch der Integration widersetzen, die auf Krawall gebürstet sind und sich rechtsfreie Räume erkämpfen wollen.

In London kann man sehen, was passiert, wenn zu lange nichts passiert. In Rotterdam hingegen darf man lernen, was konsequente Hilfestellung vom Kindergarten über die Schule bis hin zur Wohnungssuche ausrichten kann. Man kann erfahren, wie erfolgreich Sprachlernprogramme sind oder eine konsequente Einbindung der Eltern ins Schulumfeld ihrer Kinder. Das Rotterdamer Modell wird europaweit inzwischen als so beispielhaft empfunden, dass die Niederländische Botschaft Besuchsreisen dorthin für Sozialarbeiter und Medienleute organisiert.

Vielleicht würde die Botschaft sogar Berliner Abgeordneten helfen, sich in Rotterdam umzuschauen. Aber die versteifen sich lieber auf die gute, alte Devise, wonach Fakten nur die ideologischen Fiktionen einengen. Als ob Wegschauen beim Problemlösen hilft!

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Buschkowsky braucht kein Mitleid. Er ist ein talentierter Selbstdarsteller, und er verkauft sich in den Medien und in der Öffentlichkeit gut. Er nervt seine Partei. Aber gerade das ist nicht sein Problem, sondern das der SPD. Die versündigt sich an der Stadt und ihren Menschen, wenn sie vor den Integrationsproblemen die Augen verschließt, weil ihr die Lösungswege nicht passen.

Gerd Appenzeller

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