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Meinung: NMD: Nationale Argumentenabwehr

Fischer freut Sich. Jedenfalls tut der Außenminister so als ob.

Fischer freut Sich. Jedenfalls tut der Außenminister so als ob. Es sei doch prima, hat er zum Auftakt seiner Amerika-Reise sinngemäß gesagt, dass Präsident Bush jetzt versprochen habe, die Alliierten zu konsultieren, bevor er einen Raketenabwehrschild (NMD) baut. Man kann den Grund für diese Aussage verstehen: Joschka Fischer will in den USA seine Ruhe haben. Er will den schalen Nachgeschmack, den dort der Auftritt des Kanzlers hinterlassen hat, nicht verstärken. Deshalb bezieht er eine minimalistische Position. Bloß kein Öl ins Feuer gießen. Man könnte diese Haltung auch Selbstbetrug nennen. Erst war die Bundesregierung gegen diese Pläne, dann bloß skeptisch, jetzt ist sie - unter Bedingungen - dafür. Deutschland ist umgeknickt wie ein Grashalm und tut so, als habe es die USA weich geklopft.

Hinzufügen muss man allerdings: Bündnispolitisch war der Kurswechsel sinnvoll. George W. Bush ist begeistert von seinem Verteidigungsprojekt. Die amerikanische Rüstungsindustrie ist es ebenfalls. Von dieser Front prallen Einwände ab, zumal selbst die Kritiker zugestehen, dass sich die nuklearen Bedrohungen seit dem Ende des Kalten Krieges geändert haben. Hätte die Bundesregierung ihren Widerstand aufrechterhalten, hätte sie sich selbst in die Isolation getrieben.

Außerdem sind die Gefahren, die mit der Raketenschild-Initiative verbunden sind, eher gering. Russland etwa hat keinen Grund, sich davon bedroht zu fühlen. Das Prinzip der gegenseitig zugesicherten Verwundbarkeit bleibt bestehen. Niemand glaubt ernsthaft daran, dass ein derartiger Schild in der Lage wäre, Tausende von nuklearen Sprengköpfen gleichzeitig abzufangen. Etwas brisanter ist der Fall China. Aber auch da gibt es erste Anzeichen dafür, dass Peking die amerikanischen Motive besser versteht. Und Washington seinerseits begreift langsam, dass die Chinesen ein legitimes Interesse daran haben, in ihrem nuklearen Stolz nicht verletzt zu werden. Beide Seiten könnten also durchaus einen Modus vivendi finden. Jedenfalls wäre es zu früh, den Automatismus einer Rüstungsspirale durch NMD zu prognostizieren.

Weitaus realer ist die Gefahr der Blamage. Bislang gibt es kein einziges Indiz dafür, dass ein Raketenschild in absehbarer Zeit technisch funktioniert. Die Forschung wird Milliardensummen verschlingen. Ergebnis: völlig offen. Überdies ist die Raketen-Bedrohung, die von einigen diktatorischen Staaten ausgeht, eher gering. Wahrscheinlicher ist es, dass Terrororganisationen handlich verpackte Massenvernichtungswaffen in die USA schmuggeln. Dringlicher als die NMD-Forschung wäre es daher, noch entschiedener als bislang die Proliferation und den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.

Es ist richtig, darüber nachzudenken, welche Sicherheitsstruktur im 21. Jahrhundert adäquat ist. Für diese Anstrengung gebührt der Bush-Administration die Anerkennung der Verbündeten. Ebenso richtig ist es, nach technischen Möglichkeiten zu suchen, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Falsch jedoch ist es, sich ausschließlich auf das NMD-Projekt zu konzentrieren. Es wäre gut, wenn die Polarisierung darüber ein Ende findet, damit wieder die Vielzahl der Probleme ins Blickfeld geraten kann.

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