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Meinung: Notbremse am Strafraum

Von Markus Hesselmann Eigentlich ist doch alles perfekt. Die Fußball-Fans können den Beginn der WM Ende Mai kaum erwarten.

Von Markus Hesselmann

Eigentlich ist doch alles perfekt. Die Fußball-Fans können den Beginn der WM Ende Mai kaum erwarten. Bis dahin lassen sie sich in der Bundesliga, im DFB-Pokal und im Europacup von der wunderbaren Weltauswahl Bayer Leverkusen verzaubern. Obendrein zeigt der sympathische Meisterschaftskandidat die schönsten menschlichen Schwächen. Die drückende Überlegenheit einer Übermannschaft bleibt den Fans dadurch erspart. Wie in den vergangenen beiden Jahren steht ein spannendes Bundesliga-Finale bevor. Eigentlich ist alles perfekt.

Dann kam die Drohung – ultimativ formuliert von der Deutschen Fußball-Liga, dem Zusammenschluss der Profiklubs. Kirchs Insolvenzverwalter sollten der DFL Sicherheiten über die Mitte Mai anstehende nächste Fernsehgeld-Rate vorlegen. Sonst bleibt der Bildschirm beim großen Finale schwarz.

Man hat sich inzwischen geeinigt, doch schon die Drohung war ein Offenbarungseid. Denn der Lieblingssport der Deutschen ist demnach nichts als eine Ware. Diesen Eindruck vermitteln Funktionäre, die sonst vom Fußball als Kulturgut reden. Etwa wenn es darum geht, staatliche Bürgschaften für Stadionbauten oder – wie unlängst diskutiert – sogar für ausgefallene Fernsehgelder in Anspruch zu nehmen. Oder wenn die Polizei an Spieltagen kostenfrei Sicherheit garantiert.

Diese Drohung darf deshalb nicht als Privatsache präpotenter Bosse durchgehen. Sie wirft Fragen auf, die bis zu verfassungsrechtlichen Verwicklungen reichen. Ist der Fußball nur eine Ware, über die ihr Besitzer beliebig verfügen kann, also auch damit drohen kann, sie dem Kunden vorzuenthalten? Oder haben die Bürger das Recht auf eine Grundversorgung mit dem hohen Gut Fußball? In Ansätzen wurde diese Frage schon einmal diskutiert. Als das Pay-TV noch als zukunftsweisendes Medium galt, wurden Pläne ruchbar, die WM nur noch verschlüsselt zu senden. Das wurde nicht zuletzt mit verfassungsrechtlichen Bedenken zurückgewiesen. Denn Karlsruhe bezieht den Begriff Grundversorgung nicht nur auf politische Berichterstattung, sondern auch auf Unterhaltung. Und dazu gehört der Sport.

Auch der Deutsche Fußball-Bund legte auf die Grundversorgung Wert. Doch der DFB, der sich einst als Verband aller Fußballer vom Kreisklassenkicker bis zum Nationalspieler verstand und gern seine gesellschaftspolitische Verantwortung beschwor, hat im Profifußball nicht mehr das Sagen. Der Altherrenklub wurde ausgebremst, die wirtschaftlich orientierte DFL als Interessenvertretung der Profis herausgelöst. Von dieser Organisation ist noch einiges zu erwarten. Schon wurde die viel weitergehende Drohung laut, in einem eigenen Bundesliga-Kanal über Fußball zu berichten. Etwa so, als unterhielte der Bundestag einen exklusiven Parlamentssender. Das wäre das Ende unabhängiger Berichterstattung. Dafür gilt, was auch auf dem Fußballplatz gilt: Schon für die böse Absicht gibt es eine Verwarnung.

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