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Meinung: „Nun ist Rotkäppchen …

… die einzige ostdeutsche Marke, die die Wiedervereinigung überlebt hat.“ Es gab Zeiten, da schrieb die PDS auf ihre Wahlplakate Worte wie „cool“ und „geil“.

Von Matthias Meisner

… die einzige ostdeutsche Marke, die die Wiedervereinigung überlebt hat.“

Es gab Zeiten, da schrieb die PDS auf ihre Wahlplakate Worte wie „cool“ und „geil“. Und es gibt noch immer Zeiten, da tritt sie mit Leuten an, auf die Attribute wie jung, hübsch und aufmüpfig passen. Katja Kipping, 27-jährige Landtagsabgeordnete aus Dresden, ist eine von ihnen. Seit zwei Jahren stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS – in dieser Rolle hat sie sich schon mal bei Sabine Christiansen ganz gut gemacht – muss die Rothaarige jetzt als Ersatz-Frau ran. Kipping soll am Samstag auf den Spitzenplatz der Landesliste der PDS, der künftigen Linkspartei also, gewählt werden. Sie wird den Platz bekommen, den der Schauspieler Peter Sodann, bekannt als „Tatort“-Kommissar Bruno Ehrlicher, dann doch nicht wollte.

Zweite Wahl ist sie nun – die selbstbewusste Frau stört das kaum. Selbstkritik ist nicht ihre Stärke, davon wissen ihre Parteifreunde aus Sachsen ein Lied zu singen. Die haben etwa erlebt, wie Kipping im Sommer 2003 als künftige Vizeparteichefin präsentiert wurde. Wie Lothar Bisky von einem Reporter gefragt wurde, Frau Kipping sei ja gewiss nett, aber wohl doch sehr unerfahren. Bisky kam gar nicht zu Wort. Kipping lächelte: Man könne vieles über sie sagen, den Ausdruck „nett“ weise sie zurück. Nett klingt in der rauhen Welt der Politik fast wie naiv. Das mag mancher denken, sie aber will das nicht auf sich sitzen lassen.

Noch während sie in die Kaste der Berufspolitiker einrückte – 1999 zog sie als damals jüngste Abgeordnete in den Dresdner Landtag –, hat Kipping studiert, Slawistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften, bis 2003. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über vorrevolutionäre russische Literatur. Forsch kündigte sie schon mal an, Professorin werden zu wollen. Und forsch tritt sie auch als PDS-Politikerin auf, gern Worte wie „Lebendigkeit“ oder „Widerstandsgeist“ im Munde führend. „Die Tagespolitik muss sich an Visionen orientieren“, sagt sie dann etwa. Sie jammert über „ein Übergewicht an Bedenkenträgern“ in ihrer Partei. Und begründet eine Forderung nach monatlicher Grundsicherung von 1000 Euro pro Monat für jeden Bürger mit dem Satz: „Wir dürfen nicht mehr aus Angst vor dem anfänglichen Unverständnis der Mehrheit weit gehende Vorschläge scheuen wie der Teufel das Weihwasser.“

Bei den Gesprächen zum Bündnis mit der WASG war Kipping dabei. Vor ihren Genossen wollte sie auf den Namen PDS verzichten, in dem ihr zu viel „Traditionsmeierei“ steckt. Lieber will sie feiern, dass das „ständige Bekämpfen der Linken“ nun zu Ende geht –dafür darf gern auch ein Rotkäppchen-Korken knallen.

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