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Meinung: Nun streitet mal schön

Merkel sucht die Auseinandersetzung in der Union – Geschlossenheit will erarbeitet sein

In den Umfragen steht die Union prima da, während die SPD – anscheinend unaufhaltsam – immer tiefer sackt. Beinahe doppelt so viele Menschen würden derzeit Union wählen (46 Prozent) wie die SPD (25 Prozent), das ergeben die Befragungen der Demoskopen. Eigentlich könnte CDUChefin Angela Merkel sich ganz entspannt zurücklehnen und den Erfolg genießen.

Tut sie aber nicht. Ausgerechnet am Wochenende der Kabinettsklausur in Neuhardenberg sendet Merkel eine ernste Botschaft in die eigenen Reihen. Auch die Union genieße nicht das Vertrauen der Bevölkerung, analysiert die Vorsitzende. Hinter verschlossenen Türen debattiert die CDU seit längerem besorgt den Vertrauensverlust, der beide Volksparteien trifft. Weil die Öffentlichkeit auf den Niedergang der Sozialdemokraten starrt, geht völlig unter, dass die Deutschen auch von einer Unions-Regierung nicht viel mehr für ihr Land erwarten. Endlich spricht Merkel das Thema nun auch offen an. Wann, wenn nicht zum Zeitpunkt traumhafter Umfragewerte, sollte sie die Diskussion wagen? Viel verlieren kann sie derzeit nicht.

Bei genauem Hinsehen geht die CDU aus den jüngsten Kommunal- und Landtagswahlen nicht wirklich als strahlende Siegerin hervor. Die Erfolge werden überschattet vom guten Abschneiden der kleinen Splitterparteien, im Osten auch der PDS. Die machen Wahlen in Zukunft unberechenbarer – für die Union und für die SPD.

Mit Blick auf die manchmal störrische Schwesterpartei CSU, aber auch auf Kritiker in der CDU fordert Merkel zu Geschlossenheit auf. Sie verlangt die Unterstützung des Reformkurses, für den sie seit dem Leipziger Parteitag im November 2003 ganz persönlich steht. Zentrale Bausteine sind die Gesundheitsprämie für die Krankenversicherung sowie der radikale Umbau des Steuersystems.

Auch wenn die Menschen es mit Sicherheit zu schätzen wissen, wenn eine Partei geschlossen agiert, übersieht Merkel dabei eines. Zwar nervt es die Menschen auf Dauer, wenn CDU und CSU sich permanent streiten, zum Beispiel über die Gesundheitspolitik. Das Hin und Her fördert nicht gerade das Vertrauen in die Kompetenz der Union auf diesem Sachgebiet.

Trotzdem braucht die CDU erst einmal nicht mehr Geschlossenheit, sondern mehr Streit. Für einen dauerhaften politischen Erfolg reicht es nämlich nicht aus, den lautstarken Kritikern in der Union künftig den Mund zu verbieten, zumindest in der Öffentlichkeit. CDU/CSU werden die Bevölkerung nur von ihrer Politik überzeugen, wenn die Konzepte stimmig sind. Geschlossenheit einer Partei bedeutet nicht automatisch, dass auch ihre Politik schlüssig ist. Die will erstritten sein.

An den Gesundheitskonzepten der CDU muss noch einiges getan werden, damit sie umsetzbar werden. Die Gesundheitsprämie, die Merkel favorisiert, ist noch lange nicht solide finanziert. Ehrlicherweise muss die CDU auch von der Illusion Abstand nehmen, die Steuern so radikal senken zu können, wie Merz es vorgesehen hat. In der Rentenpolitik verspricht die Partei ebenfalls familienpolitische Leistungen, die realistisch betrachtet derzeit nicht finanzierbar sind.

Die politische Alternative, die die Opposition anpreist, ist noch nicht ausgegoren. Das spüren die Bürger sehr wohl. CDU und CSU wären deshalb gut beraten, jetzt den Streit über die Alternativen zur rot-grünen Reformpolitik zu führen, statt sich gehorsam hinter die CDU–Chefin zu stellen. Gerade weil die Union noch nicht an der Regierung ist und auf der Höhe der Umfragewerte, kann sie es sich leisten, lautstark zu streiten – ohne fürchten zu müssen, dafür an Ansehen einzubüßen.

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