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Krise der Kirchen: Ökumene in Demut

Die Stimmung in München war gedrückt und nicht zu vergleichen mit dem ausgelassenen Trubel beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin. Doch die Krise der Kirchen hat auch gute Seiten – zum Beispiel für die Muslime.

Christen müssen sich im Moment für ihren Glauben arg rechtfertigen. Und bei sieben Grad und Dauerregen hat es die Fröhlichkeit schwer. Die Stimmung in München war gedrückt und nicht zu vergleichen mit dem ausgelassenen Trubel beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin. Vom Kirchentag in München ging keine plakative „Zeitansage“ aus. Käßmann, Merkel, Missbrauch – das interessierte viele, ansonsten suchte man sich, was einen gerade so bewegte: die einen das Verhältnis zur Dritten Welt, die anderen die Hirnforschung oder die Taizé-Lichternacht.

Dass das Selbstbewusstsein der Christen gedämpft ist, dass aus der „Ökumene der Profile“ eine Ökumene der Demut geworden ist, hat aber auch sein Gutes. Zum Beispiel für die Muslime. Beim Kirchentag in Köln vor drei Jahren wurden sie ausgebuht und Bischof Wolfgang Huber wurde dafür bejubelt, dass er seine muslimischen Gesprächspartner in überheblichem Ton aufforderte, die Sitzordnung in der Moschee zu erklären. In München wurde der Strafrechtler Gerhard Robbers beklatscht, als er für die Gleichberechtigung des Islam plädierte. Der Trierer Jurist wird der Präsident des Evangelischen Kirchentags 2013 in Hamburg sein.

de Maizière will den Islam an die Universitäten bringen

Muslimische Verbandsvertreter mussten sich auch dieses Jahr viel Kritisches anhören, aber die Leute hörten anders zu bei den Antworten, offener, weitherziger. Vor allem aber ging es nicht mehr darum, ob der Islam dazugehört, sondern wie er eingebunden werden kann. Das ist ein Quantensprung in der Debatte – und das trotz der Diskussionen um Minarett- und Burkaverbot rings um Deutschland. Dass sich das Klima in Hinblick auf den Islam verändert hat, liegt auch an Thomas de Maizière, Bundesinnenminister und Präsidiumsmitglied im Evangelischen Kirchentag. Er saß auf vielen Podien und verlieh dem Thema Prominenz, wenn auch das, was er sagte, oft ausweichend war.

Aber am Montag geht es weiter. Da sitzt der Bundesinnenminister bei der ersten Tagung der neu zusammengesetzten Islamkonferenz erneut mit Muslimen zusammen. Die neue Islamkonferenz kann sich allerdings nicht wie die erste Runde in Symbolpolitik erschöpfen. Sie wird dann erfolgreich sein, wenn sie konkrete rechtliche und alltagstaugliche Fortschritte erzielt. Das weiß de Maizière, der Druck erklärt vielleicht seine wenig kompromissbereite Haltung den muslimischen Verbänden gegenüber. Er will den Islam an die Universitäten bringen und Islamunterricht an die Schulen. „Da soll Zug reinkommen“, sagt er. Er will klare Kriterien erarbeiten, wie man den Islam vom extremistischen Islamismus, wie man sozusagen die gute Religion von ihren bösen Auswüchsen unterscheidet.

Ein ambitioniertes Projekt. Wenn es gelingt, würde es vielen die Angst vor dem Islam nehmen. Dass de Maizière dafür ausgerechnet den Verband ausgeladen hat, dem der Verfassungsschutz unterstellt, dass er diese Trennlinie nicht kennt, ist unklug. Aber die Richtung stimmt. Der Kirchentag in München hat einen neuen Ton in die Diskussion gebracht und gezeigt, dass aus Verunsicherung viel Positives entstehen kann. Irgendwie doch eine Zeitansage. Jetzt müssen Taten folgen.

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