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Opel und GM: Die Macht der Autosuggestion

Eile ist nicht geboten – deshalb sollte General Motors erst nach der Bundestagswahl über die Zukunft von Opel entscheiden.

Man könnte in Sachen Opel kalauern, dass sich die Politik seit fast einem Jahr einer Autosuggestion hingibt. In doppeltem Sinne, Auto und Auto. Jedenfalls werden offekundig falsche Behauptungen so lange wiederholt, bis alle daran zu glauben scheinen. Gewonnen ist damit nichts.

So wurde von Anfang an die Illusion gepflegt, es handle sich um einen urdeutschen Autohersteller. Dabei ist Opel doch seit 80 Jahren fest in amerikanischer Hand (und reüssierte davor vor allem mit Nähmaschinen und Fahrrädern). Rüsselsheim hat keine Hoheit über die Finanzen. Opel ist nicht mehr, sondern deutlich weniger als GM Europe. Wer hier einen eigenständigen Hersteller sieht, sitzt letztlich einem klugen, über Jahrzehnte aufgebauten Marketing auf. Eine Illusion ist auch, Opel als ein profitables Unternehmen zu sehen, dem nur eine bessere Führung fehlt. Die Abwrackprämie und das gefällige Design neuer Modelle haben Opel zuletzt geholfen, aber von der Stärke, die Volkswagen inzwischen hat, ist man weit entfernt.

Trotzdem hat General Motors nichts zu verschenken. Das galt, als der einst weltgrößte Autohersteller auf dem Weg in die Insolvenz war, und nach der Entschuldung gilt es erst recht. Von einem neuen GM spricht man in Detroit, von grüner Technik und kleinen Modellen, und damit deutet sich die Rolle an, die Opel in dem globalen Autoimperium spielen könnte. Ausgerechnet in diesem Zukunftsfeld Kompetenz abzugeben, dazu den europäischen Markt weitgehend zu verlassen, der russischen Autoindustrie einen Technologiesprung zu bescheren und das alles ohne Gegenleistung: Das klingt nicht nach einer sinnvollen Strategie, und wer darauf hofft, lebt vermutlich in einer weiteren Illusion.

Die Rolle der Bundesregierung betrifft ein ganzes Bündel von Selbsttäuschungen. Dass sie viel zu sagen hätte in dieser Frage, dass sie in jener Nacht im Kanzleramt tatsächlich etwas entschieden habe oder dass Opel schon gerettet sei, waren und sind Behauptungen ohne jegliche faktische Grundlage.

Die Autosuggestion setzt sich fort: Ob SPD oder Union, ob Bund, Länder oder Gewerkschaften, alle drängen darauf, dass der GM-Verwaltungsrat, der am Dienstag und Mittwoch tagt, ganz schnell entscheidet. Im Sinne der Beschäftigten und der deutschen Standorte ist das genaue Gegenteil. Möge GM bitte nach der Bundestagswahl entscheiden, wenn alle Illusionen widerlegt sind und ernsthaft verhandelt werden kann.

Denn sowohl die Konzepte der beiden Bieter als auch die Schubladenpläne von GM sehen den Abbau von mindestens 10 000 Arbeitsplätzen vor. Da auf Eile zu machen, wäre dumm. Die Finanzhilfen des deutschen Staates reichen offenbar bis Januar, und die Opel- Treuhand ist vertraglich bis Ende 2014 angelegt. Eine Lösung, die den Opelanern nützt und den Steuerzahler nicht zu viel kostet: Das muss das Ziel deutscher Politik sein. An wen GM am Ende verkauft und ob überhaupt, ist zweitrangig. Und völlig unwichtig ist, ob die Lösung vor oder nach dem 27. September gefunden wird.

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