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Opposition: Die Ich-Parteien

Den drei kleinen Parteien fehlt es am Willen zur Macht: Sie setzen nur auf Abgrenzung

Als „TV-Dreikampf“ war das Zusammentreffen der drei Spitzenkandidaten von FDP, Grünen und Linkspartei am Montagabend in der ARD angekündigt worden. Es sollte wahrscheinlich das bessere Kanzlerduell werden. Die Befragung, die ebenso wenig wie das Aufeinandertreffen von Merkel und Steinmeier ein Streitgespräch war, offenbarte am Ende jedoch vor allem eines: Die kleinen Parteien sind zwar mächtiger geworden, allen dreien aber fehlt es am Willen zur Macht.

Wie Oskar Lafontaine waren auch Guido Westerwelle und Jürgen Trittin auf maximale Abgrenzung aus. Während am Vorabend Merkel und Steinmeier zumindest noch den Versuch unternahmen, Entwürfe zum gesellschaftlichen und sozialen Ausgleich zu präsentieren, haben FDP, Grüne und Linke ähnliche Ansprüche im stillen Glück der Opposition offenkundig aufgegeben. Die kleinen Parteien mögen sich inhaltlich unterscheiden, doch in ihrem politischen Stil ist ihnen eines gemeinsam: Sie sind seltsam selbstbezogen. Anders ist kaum zu erklären, dass die drei Spitzenkandidaten so sehr als kalkulierte Verteidiger von Eigeninteressen auftraten.

Die kleinen Parteien sind für Wähler attraktiv, die sich über ihren individuellen Status definieren, die einen Ort in der gesellschaftlichen Mitte anstreben, aber gleichzeitig Angst haben, den angestammten Platz zu verlieren. Die Kleinparteien ziehen merkwürdige Schlüsse daraus, wenn sie sich jetzt koalitionspolitisch am Rand positionieren. Die Linke will nicht wirklich regieren, FDP und Grüne nur dann, wenn es ohne Risiko ist.

Während potenzielle Wähler, vom Hartz-IV-Empfänger bis hin zum Besserverdiener, Angst um ihren Platz in der Gesellschaft haben, lebt es sich für die drei Parteien mit dem eigenen Status ganz gut: Die FDP ist stolz auf ihre Regierungsbeteiligungen in fast allen westdeutschen Ländern, den Grünen fehlt zwar die Macht, doch ihr Gewissen ist rein, und die Linkspartei gefällt sich im Licht steigender Wahlergebnisse. Müsste eine der Parteien hingegen Regierungsverantwortung im Bund übernehmen, dann wäre schnell klar, dass das Dauerhoch der Kleinparteien bloß zum kleineren Teil auf eigenen Anstrengungen beruht.

Nach wie vor agieren die kleinen Parteien im Kräftefeld der beiden verbliebenen (Volks-)Parteien. An ihnen richtet sich ihr Handeln aus. Dabei hätten vor allem FDP und Grüne in den zurückliegenden vier Jahren die Chance gehabt, zu eigener Kraft zu finden. Es wäre ein Kontrastmodell gewesen, sowohl für die Liberalen, deren Einfluss in der Regierung Kohl kaum messbar war, als auch für die Grünen, die treuer zu Gerhard Schröder standen als dessen SPD.

Doch diese Chance haben ausgerechnet jene beiden Parteien verpasst, die sich gerne als besonders kreativ und einfallsreich präsentieren. Für die große Koalition sind Union und SPD fast bis an die Grenze der Selbstverleugnung gegangen. Um eine Neuauflage zu verhindern, darf auch FDP und Grünen mehr abverlangt werden. Dann wären sie zumindest keine Ich-Parteien mehr.

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