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Der Skandal an Göttinger Uniklinik: Ein ehemaliger Oberarzt steht im Verdacht, in mehr als 20 Fällen Krankendaten manipuliert zu haben.

© dpa

Organspende-Skandal: Den Schaden haben die Patienten

Mit dem Skandal in Göttingen ist das Vertrauen in die Organspende tief erschüttert worden. Nun muss es mehr Transparenz und Kontrollen an den Transplantationszentren geben. Nur klare Verhältnisse können das Vertrauen der Öffentlichkeit wiedergewinnen.

Das deutsche Gesundheitswesen ist ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor. 2010 wurden 287 Milliarden Euro in diesem Bereich umgesetzt. Und es ist ein Jobmotor, in dem jeder siebte bis achte Beschäftigte tätig ist. So weit, so gut. Aber es geht um mehr als um Umsatz. Es geht darum, kranke Menschen zu heilen oder ihr Leiden zu lindern. Menschen, die oft hilflos sind und die sich diesem Gesundheitswesen anvertrauen. Es geht also nicht nur ums Verdienen, sondern auch um Mitmenschlichkeit, ganz unökonomisch. Schon bevor in den deutschen Kliniken die wirtschaftlichen Daumenschrauben deutlich angezogen wurden, sprach der damalige Berliner Ärztekammerpräsident Ellis Huber von einem Widerspruch zwischen Ethik und Monetik im Gesundheitsbetrieb. Der Skandal um die Organvergabe am Göttinger Universitätsklinikum wirft ein Schlaglicht auf diesen Konflikt: Umsatz statt Moral. Umsatz um fast jeden Preis.

Mit Organtransplantation lässt sich viel Geld verdienen, eine Leberverpflanzung etwa bringt 150 000 Euro. Und so war in Göttingen ein Transplantationsmediziner mehr als willkommen, der die Zahl dieser Eingriffe in kurzer Zeit deutlich nach oben schraubte. Dass dieser Arzt in der Vergangenheit der europäischen Organvergabezentrale Eurotransplant wegen dubioser Praktiken aufgefallen war, störte in Göttingen offenbar eher wenig. Vielleicht war man auch stolz darauf, der übermächtigen Medizinischen Hochschule Hannover Paroli zu bieten. Vieles spricht dafür, dass systematisch und skrupellos Krankendaten gefälscht wurden, um Göttinger Patienten in den Wartelisten bei Eurotransplant ganz nach oben zu hieven. Es gilt als sicher, dass nicht nur der Arzt selbst an diesen Manipulationen beteiligt war. Merkwürdig, dass den Verantwortlichen der Uniklinik keine Zweifel kamen, ob es bei dem plötzlichen Aufschwung der Lebertransplantation mit rechten Dingen zuging.

Das Vertrauen in die Organspende ist erschüttert. Und das, obwohl gerade vor kurzem ein neues Gesetz die Zustimmung zur Organtransplantation verbessern sollte. Den Schaden haben einmal mehr die Patienten. Schwerkranke, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen und deren Chancen zu überleben sich verschlechtern, wenn Skandale Spender verunsichern und abschrecken. Es ist nicht die einzige Negativschlagzeile aus der Transplantationsmedizin. Viel Wirbel gab es in letzter Zeit um die Deutsche Stiftung Organtransplantation, die eigentlich die Spendebereitschaft erhöhen soll, sich aber mit Vorwürfen der Vetternwirtschaft und Verschwendung konfrontiert sieht. Und da ist der Fall des prominenten Essener Leberchirurgen Christoph Broelsch, der gegen Geldzahlungen auf ein Forschungskonto einfache Kassenpatienten operierte und der wegen Bestechlichkeit und Nötigung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Die Mediziner müssen dafür sorgen, dass sich Vorgänge wie die in Göttingen nicht wiederholen. Das bedeutet: mehr Transparenz und Kontrollen an den Transplantationszentren. Auch die Verflechtung zwischen der Stiftung Organtransplantation und der Deutschen Transplantationsgesellschaft sollte aufgelöst werden. Nur klare Verhältnisse können das Vertrauen der Öffentlichkeit wiedergewinnen. Die große Mehrheit der Menschen, die in der Transplantationsmedizin arbeitet, die täglich um das Leben ihrer Patienten kämpft und sich keiner Betrügereien schuldig gemacht hat, hat es verdient. Von den Kranken zu schweigen.

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