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Ost-Reise: Merkel und Mächte

Im Ausland pflegt die Kanzlerin keine Freundschaften, sondern verfolgt Interessen. Anders als zu Zeiten der großen Koalition glänzt die Regierungschefin auf dem internationalen Parkett nur noch selten.

Von Hans Monath

Es hat kein großes Aufsehen erregt, dass die Kanzlerin ihren jüngsten Video-Podcast der Außenpolitik widmete. Sie freue sich auf ihre am heutigen Mittwoch beginnende Reise nach Russland, China und Kasachstan, ließ Angela Merkel wissen: „Es werden spannende Tage werden, und ich glaube, auch wichtige Tage für die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands zu allen drei Ländern."

Spannende Tage mit spannenden Problemen – doch nur wenige schauen hin. Anders als zu Zeiten der großen Koalition glänzt die Regierungschefin neun Monate nach dem Regierungswechsel auf dem internationalen Parkett nur noch selten. Dass Merkel ihr außenpolitische Geschäft versteht, erwarten die Wähler. Viel dringender aber erwarten sie, dass sie die Probleme ihrer eigenen Regierung löst.

Wer sich ein Bild der Außenpolitikerin Merkel in der ersten Legislaturperiode machen wollte, musste sich das Foto vom G-8-Gipfel in Heiligensee im Juni 2007 ansehen. Es war ein Bild der Harmonie und des Erfolgs: Um Gastgeberin Merkel scharen sich in einem Strandkorb die Staatenlenker vor dem schmucken Hotel an der Ostsee. Gerade hat sie ihnen einen Kompromiss zum Klimaschutz abgerungen. Und trotzdem lachen alle. Merkel kann sich durchsetzen und trotzdem jeden Partner sein Gesicht wahren lassen, bedeutete das.

Das bisher dominierende Bild der Außenpolitikerin Merkel in ihrer zweiten Legislaturperiode ist ihre Stilisierung zum eisernen Bismarck durch Deutschlands größte Boulevardzeitung in der Griechenland- und Euro-Krise: „Steinhart, unbeugsam, wehrhaft – nie wieder Zahlmeister Europas“, jubelte das Blatt damals. Bei den EU-Partnern verstärkte der Vergleich die verbreitete Furcht, in Berlin regierten nur nationale Interessen und nicht die der Gemeinschaft. Und Merkel unternahm kurz vor der NRW-Wahl keine Anstrengung, sich der Stilisierung zu entziehen.

Das Bild konnte eine so große Wirkung entfalten, weil die Kanzlerin in der Außenpolitik zwar alle Zusammenhänge versteht und an vielen Problemen kontinuierlich arbeitet – seien es die deutsch-russischen Beziehungen, das iranische Atomprogramm, die verfahrene Lage in Nahost oder der Klimaschutz. Den unpopulären Afghanistankrieg hat sie spät, doch immerhin, zum eigenen Thema gemacht.

Doch Merkel findet auch in der Außenpolitik keine großen Gesten und pflegt keine demonstrativen Freundschaften, die sich ins Gedächtnis brennen. Selbst mit wenig Charisma gesegnet, sieht sie politische Hoffnungsträger mit größter Skepsis. Auch deshalb hielt und hält sie zu Barack Obama Distanz. Und mag sich durch die Enttäuschung vieler Amerikaner über den Präsidenten bestätigt fühlen.

Womöglich ist Merkels politischer Stil einer Welt angemessen, in der nicht mehr nur wenige reiche Länder, sondern viele Mächte entscheiden. Es gibt keinen exklusiven Club mehr, die Zahl der Spieler steigt. Doch eines wird die Kanzlerin mit ihrer Abneigung gegen öffentliche Emotionen nicht voranbringen: mehr Verständnis für eine aktive deutsche Außenpolitik. Die aber wäre dringend nötig.

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