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Meinung: Pakistan: Strategische Züge am Hindukusch

Pakistan, bisher engster Verbündeter der Taliban, rückt ins Zentrum der Aktion. Die USA brauchen die Regierung in Islamabad für ihre Koalition gegen den Terror.

Pakistan, bisher engster Verbündeter der Taliban, rückt ins Zentrum der Aktion. Die USA brauchen die Regierung in Islamabad für ihre Koalition gegen den Terror. Die hat dem benachbarten Afghanistan nun ein Ultimatum gestellt, Osama bin Laden innerhalb von drei Tagen auszuliefern. Das ist auch ein letzter Versuch, den Vergeltungsangriff der Amerikaner auf die Taliban abzuwenden. Während bin Laden am Sonntag abermals jede Verwicklung in die Terroranschläge bestritt und der Oberste Taliban-Führer Mullah Mohammad Omar bis in den späten Abend seine Anhänger auf einen nahenden Krieg einschwor, ging der Exodus panischer Afghanen nach Pakistan weiter.

Pakistan hat eine Schlüsselrolle. Sie erinnert an die Mazedoniens im Kosovo-Krieg. Nach Pakistan sind bereits Millionen Afghanen geflohen. Eine neue Fluchtwelle kann die das Land destabilisieren. Ebenso die von den Taliban angedrohte Serie fundamentalistischer Anschläge, falls die Regierung sich an die Seite der USA stellt.

Auch bei Informationen und Logistik spielt Pakistan eine entscheidende Rolle. Die Militärregierung unter General Pervez Musharraf hat sich unter massivsten Druck der Amerikaner bereit erklären müssen, die Grenzen nach Afghanistan zu schließen - so weit das überhaupt geht in dem unwegsamen Gelände - und den Nachschub an Nahrungsmitteln, Öl und Waffen für die Taliban zu stoppen. Außerdem wird Islamabad, das die besten Informationen über die Taliban und ihren "Gast" Osama bin Laden hat, diese mit den US-Diensten teilen und den USA Überflugrechte zur Verfügung stellen. Eine Entsendung pakistanischer Truppen kommt dagegen nicht in Frage.

All das ist auch innenpolitisch hochgefährlich. Sollte es zu einem Angriff auf die Taliban oder bin Laden kommen, wollen die zahlreichen fundamentalistischen Organisationen Pakistans ihrer eigenen Regierung den Heiligen Krieg erklären. Der ehemalige Armeechef General Aslam Beg hat daraufhingewiesen, dass dann die atomaren Einrichtungen aufs Höchste gefährdet sind. Eine konzertierte Aktion der Islamisten würde die Regierung wohl nicht überstehen.

Indien hat am Sonntag ebenfalls alle seine geheimdienstlichen Erkenntnisse über die Taliban und militante islamistische Gruppierungen den Amerikanern zur Verfügung gestellt. Indien bekämpft seit über zehn Jahren terroristische Untergrundgruppen in Kaschmir, die häufig direkte Verbindung zu Osama bin Laden haben.

Offenbar sind die USA außerdem in engem Kontakt zur Nordallianz in Afghanistan, die, obwohl sie nur noch fünf Prozent des Territoriums beherrscht, den Taliban erbitterten Widerstand leistet. Ihre Truppen, die das Gelände ihres Heimatlandes bestens kennen, könnten von unschätzbarem Wert sein, wenn es darum geht, in einem zweiten Schritt die Taliban anzugreifen, nachdem die Amerikaner deren Verteidigung und die Fluchtwege bin Ladens zerstört haben.

Washington zögert aus gutem Grund, eigene Bodentruppen in größerem Stil in Afghanistan einzusetzen. Da ist nicht nur die Erinnerung an Vietnam sondern auch an die Geschichte: Keiner ausländischen Macht ist es jemals gelungen, sich Afghanistan untertan zu machen - weder Engländern und Russen im 19., noch der Sowjetunion im 20. Jahrhundert.

Gabriele Venzky

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