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Papst Franziskus: Keine Festung des pauschalen "Neins"

© AFP

Papst Franziskus bittet zur Umfrage: Fragen von Sex und Glaube

Die katholische Kirche will ihre Basis zu Moralfragen anhören. Zu welchen Reformen das führt, muss sich erst herausstellen. Doch Papst Franziskus Ansinnen zeigt schon jetzt: Es könnte vieles ins Rollen bringen.

Unterstützt durch die Erfahrung der Laien können Bischöfe in geistlichen wie weltlichen Dingen genauer und besser urteilen.“ Nein, dieser Satz stammt nicht von Papst Franziskus. Ihn hat das Zweite Vatikanische Konzil, diese große Versammlung zur Kirchenreform, schon vor einem halben Jahrhundert formuliert.

In Verwaltungsfragen, in „zeitlichen Dingen“ also, haben sich daraus vielfältige Mitsprache- und sogar Mitwirkungsmöglichkeiten für Katholiken entwickelt. Entscheidungen in „geistlichen Dingen“ jedoch, in Fragen der Lehre und der Moral, die behielten geweihte Amtsträger allein sich selber vor. Wortmeldungen von Laien galten da als Einmischung vonseiten der „Welt“. Diese ist bekanntlich kirchenfeindlich und böse, wenn sie nicht gar – aus der rabenschwarzen Perspektive von Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger als dessen oberstem Glaubenswächter seinerzeit – eine „Kultur des Todes“ verkörpert.

In diesem Sinne hat die offizielle katholische Kirche auch die Augen verschlossen vor den gewaltigen Umwälzungen in der Ehe-, Familien- und Sexualmoral, die sich seit dem Konzil ereignet haben. Es gab die Lehre. Es gab „Humanae Vitae“ von Paul VI. mit dem Verbot der Pille; es gab die noch schärferen Moral-Enzykliken von Johannes Paul II. Es gab die Endlosschleife der Predigten gegen das Kondom. Die Gläubigen hatten sich daran zu halten. Punkt.

Doch die Katholiken, nicht nur randständige, sondern auch solche im Zentrum der Kirche, hielten sich nicht daran. Viele Tausende sind ausgezogen. Heute klaffen Leben und Lehre nirgendwo so weit auseinander wie gerade im Bereich der intimsten persönlichen wie partnerschaftlichen Fragen. Und sämtliche seelsorgerlichen Nöte, also die Fälle tiefgläubiger, in fortdauernde Gewissenskonflikte gedrängter Katholiken, bleiben an den Pfarrern vor Ort hängen. Die weiter oben, die haben sich in der Festung eines pauschalen „Nein“ verschanzt.

Papst Franziskus öffnet die Kirche für neue Blickwinkel

Es ist Papst Franziskus zu verdanken, dass nun Bewegung in die Sache kommt. Fünfzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil öffnet sich der Vatikan der „Erfahrung der Laien“ – auf deren ureigenstem Gebiet. Mit der Verteilung eines Fragebogens „so weit wie möglich“ will man offenbar tatsächlich von der Basis hören, warum die kirchliche Moral dort nicht ankommt, und – in ungelenker, in solchen Dingen merklich ungeübter Sprache – wie die Katholiken von heute Ehe, Familie und Sexualität sehen. Die Ergebnisse der Befragung sollen auch nicht im päpstlichen Geheimarchiv verstauben, sondern Grundlage bilden für erstmals zweistufige, also besonders gründliche Beratungen einer Bischofsversammlung vom kommenden Jahr an.

Zu welchen Reformen das führt, muss sich erst herausstellen. Die Bischöfe der Weltkirche – ausweislich aller Synoden der vergangenen Jahre – stehen mehrheitlich auf der konservativen Seite. Die von Franziskus gewiss nicht missbilligte, erste direkte Befragung der katholischen Basis wiederum könnte vieles ins Rollen bringen. Ein großer Anfang jedenfalls ist gemacht: Die Kirche nimmt die Welt ernst.

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