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100 Tage ist Papst Franziskus nun im Amt. Er ist ein Kirchenumbauer ganz eigener Art.

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Papst Franziskus, der Vorläufige: Bilanz nach 100 Tagen im Amt

Hundert Tage im Papstamt zeigen: Mit Franziskus waltet ein Kirchenumbauer ganz eigener Art in Rom. Von seinem Vorgänger unterscheidet ihn, dass er die Nähe des Volkes sucht. Franziskus ist ein Papst zum Anfassen. Doch wie steht es um seine große Aufgabe - die Kirchenreform?

Er ist kein „dritter“, kein „achter“, kein „siebzehnter“. Er ist: Franziskus. Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, der da im Februar mit einem einzigen Koffer vom „Ende der Welt“ anreiste, der während des Konklaves seine Socken selber wusch, und der – obwohl jenseits der bischöflichen Pensionsgrenze – in Rom noch einmal ganz von vorne anfing, er hat in seinen ersten hundert Tagen dem Papstamt eine neue, unverwechselbare Originalität gegeben. Machte er an jenem regnerischen Abend des 13. März, bei seiner Vorstellung auf dem Balkon des Petersdoms, noch einen etwas linkischen Eindruck, so stand schon am Morgen danach fest: Da ist einer, der weiß, was er will.

Doch was will dieser Papst? Von Maßnahmen, wie sie gerade nördlich der Alpen als „das A und O der Kirchenreform“ propagiert und erwartet wurden, hat Franziskus noch kein einziges Mal gesprochen: Zölibat, Frauenpriestertum, Kondom, wieder verheiratete Geschiedene – all das scheint ihn nicht zu interessieren. Trotzdem strömt immer mehr Volk zu den Generalaudienzen, so zahlreich wie lange nicht mehr.

Franziskus sucht die Nähe zu möglichst vielen Menschen

Franziskus selbst, das ist das Fundament seiner Amtsführung, sucht möglichst viel Nähe zu möglichst vielen Menschen. Für sich allein, in der Abgeschiedenheit eines „Apostolischen Palastes“, will und kann dieser Papst nicht regieren. Schon an seinem ersten Abend hat Franziskus von einem „gemeinsamen Weg“ gesprochen und sich – unter tiefer Verneigung – zuerst von den Gläubigen segnen lassen, bevor er seine päpstliche Vollmacht zum Segnen der Massen annahm. Anders als unter „papa Ratzinger“, den man zwar seiner Intellektualität wegen bewundern mochte, der aber immer den kühlen Hauch unnahbarer akademischer Gelehrsamkeit verströmte, spürt die Menge heute einen Menschen aus Fleisch und Blut in ihrer Mitte; und wenn Franziskus lachend seine Arme um alte Bekannte schlingt, dann sehen alle: Der Mann hat Freunde.

Es gibt in Rom bereits Kritik an der „Franziskus-Show“. Doch der Papst sucht die Nähe zu den Menschen nicht der Selbstgefälligkeit halber, sondern aus zwei entscheidenden Gründen. Zum einen will er mit eigenem Schwung und Beispiel die katholische Kirche aus ihrer Lethargie reißen – aus dem „Gebet zur Göttin des Jammers“, aus ihrer Selbstbespiegelung und ihren sterilen Binnendiskussionen. Er will motivieren.

Der Rekurs dieses Papstes auf das Kirchenvolk hat eine Funktion

Und wenn er von „Evangelisierung“ spricht, dann nicht davon, dass Katholiken papierene Lehrsätze weiterreichen sollen – anders als sein Vorgänger hat Franziskus noch nie das Katechismus-Buch empfohlen –, sondern davon, dass sie „an den Peripherien der Städte und des Geistes“ spüren lassen sollen, wie es sich aus der christlichen Gnade so lebt. Das aber müssen viele Katholiken erst selber (wieder) erfahren.

Der Rekurs dieses Papstes auf das Kirchenvolk hat eine zweite Funktion: Die Kardinäle haben Bergoglio gewählt, damit endlich einer die römische Kurie reformiert. Einen Außenseiter aber, einen auch noch „vom Ende der Welt“, den kriegt jeder Apparat klein. Einer jedoch, den die Gläubigen auf Händen tragen, der ist stärker, als zu erwarten war. Mit der gleichzeitigen Schaffung eines persönlichen „Rates der acht Weisen“ hat der neue Papst auch noch von oben zugepackt; die Kurie befindet sich in der Zange. Und Franziskus lässt sie dort. Niemanden hat er definitiv im Amt bestätigt; alle Personalien bleiben „in diesem Stadium des Nachdenkens“, wie er kürzlich bekräftigte, vorläufig. Die hundert Tage des Papstes Franziskus, sie waren erst der Anfang. Aber ein vielversprechender.

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