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Meinung: Paris ist nicht Bagdad

Von Albrecht Meier

Morgen für Morgen wachen die Franzosen mit immer neuen Schreckenszahlen auf. Nacht für Nacht stecken junge Randalierer Autos in Brand, die Zahl der Wracks ist inzwischen zum Gradmesser für die Krawalle geworden. Die Nahaufnahmen der Kameras zeigen, so dicht man eben herankommt, oftmals junge, triumphierende „beurs“, Einwandererkinder aus dem Maghreb. Aber kommt man überhaupt dicht genug heran? Die Bilder dieser Tage verstellen nämlich auch den Blick auf die französische Wirklichkeit.

Und diese Realität hat zwei Seiten. Auf der einen Seite gibt es ihn immer noch, Frankreichs „ascenseur social“, den Aufzug, der soziale Mobilität nach oben verspricht. Viele maghrebinische Einwandererkinder der ersten Generation haben ihn genommen und sich millionenfach in die französische Gesellschaft integriert. Und es gibt die andere Seite, die Frankreich regelmäßig vergisst. Man spricht nicht so gern darüber – wenn beispielsweise ein Vorstellungsgespräch sehr schnell wieder beendet wird, weil sich der Bewerber, der sich am Telefon mit einem „unverdächtigen“ französischen Namen gemeldet hat, als Farbiger herausstellt. Integration ist oft Glückssache. Und unter dem Druck der angespannten Wirtschaftslage tut sich Frankreich immer schwerer damit, seine Einwanderer zu integrieren.

Diese Erklärungen taugen aber nicht zur Entschuldigung für das, was sich jetzt Nacht für Nacht auf den Straßen der Vorstädte abspielt. Die Kids der „banlieues“ haben Frankreichs Innenminister Nicolas Sarkozy als Hassfigur entdeckt; er liefert ihnen aber in erster Linie einen Vorwand zur Gewalt. Auch der Hinweis auf die islamische Identität, den die Jugendlichen vorbringen, soll vor allem eines sichern: mediale Aufmerksamkeit. Man kann es den lange Vergessenen nicht verübeln, wenn sie versuchen, den Rest der Welt an ihre Existenz zu erinnern. Aber trotz der Parolen, die in diesen Tagen durch die Vorstädte geistern, sollte man nüchtern bleiben. Paris ist nicht Bagdad. Wohl aber befindet sich Frankreich schon jetzt in einem lauten Präsidentschafts-Vorwahlkampf. Und damit sinkt wieder einmal die Chance, dass sich in Frankreichs Vorstädten wirklich etwas ändert.

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