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Meinung: Parlamentswahl in Montenegro: Freistaat an der Adria

Unabhängig von Serbien wollen in der Republik Montenegro viele sein, am liebsten heute. Nach den Wahlen, in denen sich Präsident Djukanovic behauptete, aber nun mit den wenig geliebten Liberalen koalieren muss, ist das Projekt verschoben.

Von Caroline Fetscher

Unabhängig von Serbien wollen in der Republik Montenegro viele sein, am liebsten heute. Nach den Wahlen, in denen sich Präsident Djukanovic behauptete, aber nun mit den wenig geliebten Liberalen koalieren muss, ist das Projekt verschoben. Aufgehoben ist es nicht, darauf müssen Belgrad und der Westen gefasst sein. Zu drängend ist der Wunsch nach Unabhängigkeit. Dass der Status quo auf Dauer nicht tragbar ist, darin sind sich schon jetzt alle einig, in der Republik und in der internationalen Diplomatie.

Argumente der Montenegriner für einen eigenen Staat hört man vor allem von den Gebildeten und der Generation, die zahlreich nachwächst - und mit "Jugoslawien" vor allem Bilder von Krieg verbindet. Wirtschaftlich verstehen sich die Sezessionisten ein bisschen wie der Freistaat Bayern. In der Adriarepublik Montenegro sind Löhne und Renten höher als in Serbien, es gibt eine Perspektive für blühenden Tourismus an den Stränden der Adria. Es geht ihnen besser als den Serben. Warum nicht autonom?

Politisch verstehen sich viele Montenegriner unfair behandelt, von Belgrad wie vom Westen. Montenegro war ein Königreich - wie Bayern - und fand Ende des 19. Jahrhunderts beim Berliner Kongress Anerkennung als Staat, nur um 1918 Jugoslawien einverleibt zu werden. Das achtzehnmal größere Serbien lenkte die Geschicke. Das war bis zu Titos Tod vielleicht erträglich, in der Ära Milosevic wurde es zu einer Zumutung. Und die ist für viele noch nicht ganz vorbei.

Gerade weil Montenegro in der Ära Milosevic ein couragierter Freund der serbischen Oppositionellen war, und nicht nur Zoran Djindjic Asyl gewährte, empfinden Montenegriner die neue Führung in Belgrad als egoistisch und ihren Druck auf Montenegro als Einmischung. Verständlich ist auch, dass die internen Affären des heutigen Serbien dem Nachbarn Sorgen bereiten. Der Außenminister Branko Lukovac weist darauf hin, dass es in Belgrad "noch keine Katharsis gibt, etwa Strafverfahren gegen Kriegsverbrecher". Mit einem solchen Nachbarn, sagen viele, wolle man nicht unbedingt das Klingelschild teilen.

Montenegro kennt kaum ethnische Konflikte mit den Albanern und Muslimen im Land. Aber einen politischen Konflikt - deutliches Zeichen einer politisch reiferen Gesellschaft. Die geringste Rolle spielt in der internen Debatte der Republik die Frage nach der Stabilisierung oder Destabilisierung der Region. Die aber steht bei westlichen Politikern ganz oben auf der Agenda.

Auch hier sehen sich die Montenegriner unfair behandelt. Während sie bis Oktober 2000 vom Westen für ihren Mut gepriesen und hofiert wurden, auch weil ihr diplomatisches Vorgehen einen weiteren Brand in der Region verhinderte, sehen sie sich jetzt mangelhaft unterstützt. Das Interesse von USA und EU gehört nun Kostunica. Gerade Deutschland, das eine spezielle Schuld gegenüber Belgrad aus dem Zweiten Weltkrieg empfindet, scheut davor zurück, die Wünsche Montenegros zu respektieren. Serbische Nationalisten in Belgrad können sich von westlichen Warnern ermutigt fühlen, ihrerseits Druck auszuüben. Aber das jetzige Belgrad ist nicht das antifaschistische von damals. Die Geschichte ist weitergegangen. Ein friedlicher Kleinstaat an der Adria wäre weder ein Kosovo noch eine Katastrophe.

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