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Partei in der Krise: Die FDP muss zurück in die Zukunft

Die ganz große Macht war das Ziel. Nun stehen die Liberalen vor einem Trümmerhaufen. Wo Altes klumpt, kann Neues nicht entstehen. Die Jungen müssen die FDP übernehmen.

Von Antje Sirleschtov

Vorfahrt für Vernunft – zugegeben, der FDP-Slogan ist alt. Von seiner Aktualität jedoch scheint er rein gar nichts eingebüßt zu haben. Man kommt in diesen Tagen nicht umhin, den offenbar vollkommen aus dem Häuschen geratenen Liberalen zuzurufen: Steigt hinab in die Archive der 70er und erinnert euch!

Vernunft, dass bedeutet heute in erster Linie, nüchtern zu analysieren, was denn eigentlich geschehen ist am vergangenen Wochenende. Schließlich kann nur die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen, wer zuvor die Realität betrachtet hat. Auch, wenn sie bitter aussieht: Eineinhalb Jahre nach ihrem fulminanten Wahlergebnis bei der Bundestagswahl stellt sich den Wählern die nüchterne Frage, wozu man diese FDP überhaupt noch braucht.

Es ist ja wahr: In der schwarz-gelben Koalition wäre eine liberale Stimme bitter nötig. Gilt es doch für gewaltige innen- und außenpolitische Aufgaben Lösungen zu finden, die von Verantwortungsbewusstsein, Freiheitsstreben und Bürgerlichkeit im besten Sinne geprägt werden. Doch ein überschuldeter Staat braucht keine Radikalsteuersenkungen, ein bedrohter Euro keine Solidaritätsverweigerung und die Atompolitik nach Fukushima schon gar keine kopflosen Fluchtbewegungen. Wohin man auch schaut, fehlen die liberalen Akzente. Werden sie irgendwo sichtbar, sorgen sie für Kopfschütteln bis hin zum Entsetzen. Und scheint die Vernunft schließlich doch irgendwo auf, dann fehlt es den Protagonisten an der notwendigen Glaubwürdigkeit. Nicht einmal an der Basis suchen die Bürger die Tat der FDP. Baden-Württemberg ist die Realität: Dort einst erwachsen aus den Milieus der bürgerlichen Vielfalt, ist die moderne FDP zur von oben bis unten hierarchisch durchgegliederten Politikmaschine erstarrt. Die ganz große Macht war das Ziel. Nun steht die FDP vor einem Trümmerhaufen.

Glaubt wirklich noch jemand, dass dort, wo dieses System über Jahre hinweg erdacht und errichtet wurde, die Lösung für morgen erwachsen kann? „Wir haben verstanden“, hat Guido Westerwelle noch in der Wahlnacht ausgerufen. Und es klang in den Ohren seiner Mitstreiter wie schmerzlindernder Balsam. Rein menschlich ist es ja zu verstehen, wenn jetzt die FDP-Verantwortlichen auf allen Ebenen aneinander festhalten und sich gegenseitig zurufen, man müsse nur die Ruhe bewahren, dann werde schon alles gut.

In Wahrheit aber weiß es auch dort bereits jeder: Wo alte Strukturen verklumpen, da kann das rettende Neue nicht entstehen. So wenig, wie ein Vorsitzender Westerwelle seine Partei in eine notwendige inhaltliche Neuformierung führen kann, so wenig wird er in der Lage sein, in Zukunft Wähler von der Richtigkeit eines neuen Programmes zu überzeugen. Ob die Jungen in der FDP schon reif dafür sind, den Weg in die Zukunft zu beschreiben und ihre Partei dorthin mitzunehmen, spielt keine Rolle mehr. Es gibt nichts mehr zu verlieren für die FDP. Jetzt müssen die Jungen springen. Selten war es mal so angebracht wie jetzt, das Wort „alternativlos“.

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