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Parteienfinanzierung: Noch hält die Hängematte

Den Parteien kommen die Mitglieder abhanden - und damit auch viel Geld. Die Lösung? Die staatlichen Zuschüsse sollen von 133 auf 153 Millionen steigen. An eine schonungslose Analyse ihres Scheiterns trauen sich Parteien dagegen nicht heran.

Wenn doch alles im Leben so simpel zu regeln wäre! Die Parteien stellen fest: Uns laufen die Wähler und die Mitglieder davon. Also haben sie weniger Einnahmen aus Beiträgen und aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Und die Lösung? Ganz einfach, die staatlichen Zuschüsse zur Parteienfinanzierung sollen erhöht werden, von derzeit rund 133 auf 153 Millionen Euro im Jahr. Sozialdemokraten und Union arbeiten an einem entsprechenden Gesetzentwurf, 2008 soll die Änderung des Parteiengesetzes in Kraft treten. Diese Erhöhung wäre deutlich umfangreicher als nach bisheriger Rechtslage vorgesehen. Die basiert auf dem sogenannten Parteienindex des Statistischen Bundesamtes, der die Inflationsraten berücksichtigt.

Mit solchen Plänen an die Öffentlichkeit zu gehen, ist noch kühner als die Vorbereitung einer Diätenerhöhung. Die ließe sich immerhin mit Kostensteigerungen im Allgemeinen oder Tariferhöhungen im Besonderen bei vergleichbaren, besonders leistungsorientierten Branchen begründen. Die Finanzmisere der Parteien aber hat andere Ursachen. Die beiden großen Volksparteien haben in den letzten Jahren so viele Mitglieder und Wähler verloren, dass man nicht mehr sicher ist, ob man sie noch so nennen darf – schließlich ist das Volk seit der Wiedervereinigung ja deutlich größer geworden, die Akzeptanz der Parteien hingegen ganz offenkundig kleiner. Das passt irgendwie nicht zusammen. Jeder Kaufmann, der in einer ständig wachsenden Stadt immer geringere Geschäfte macht, würde sich ziemlich schnell fragen, ob der Fehler nicht bei ihm liegt. Die Parteien versuchen es anders. Sie erhöhen die Preise und führen als Rechtfertigung ihre vermeintliche Unvergleichbarkeit und Unersetzbarkeit an.

Die leiten sie aus Artikel 21 des Grundgesetzes ab, der den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuweist. In mehr als einem halben Jahrhundert bundesdeutscher Demokratiegeschichte ist daraus ein Quasimonopol geworden. Aus der theoretischen Mit-Wirkung hat sich de facto eine Art von Ausschließlichkeitsfunktion entwickelt. Bestenfalls in Bezirks- und Gemeinderäten haben individuelle, nicht von einer Partei abgesicherte Kandidaturen noch eine Chance.

Das konnte man so lange tolerieren und akzeptieren, wie die Parteien große Bindungskraft zeigten und die hohe Wahlbeteiligung eine Art von breiter Legitimation dieser herausragenden Rolle war. Davon kann aber, vor allem nach der Wiedervereinigung, keine Rede mehr sein. Die Bürger sprechen den Parteien vermehrt die Kompetenz bei der Problemlösung ab. Das geht auch anderen gesellschaftlichen Institutionen so. Die Mitgliederzahl der Gewerkschaften ist von 11,8 Millionen im Jahre 1991 auf 6,78 Millionen im Jahre 2005 gesunken. Den katholischen Bistümern kamen von 1991 bis 2004 zwei Millionen eingetragene Gläubige abhanden, und noch mehr Protestanten kehrten ihren Landeskirchen den Rücken.

Die nachlassende Bindungskraft all jener Institutionen, die zum prägenden und zusammenhaltenden Geflecht des Landes gehörten, hat viele Gründe. Die Kirche hat keine Macht mehr über die Menschen, den Gewerkschaften ging die Hoheit über die Tarife weitgehend verloren, beide kosten Geld, ohne auf den ersten Blick etwas dafür zu geben. Diese Sicht der Dinge mag kurzsichtig sein. Das Faktum ist aber eben auch Ausweis inhaltlichen Versagens. Kirchen und Gewerkschaften haben auf den finanziellen Druck jeweils vor allem mit einschneidenden Strukturreformen reagiert. Sie haben fusioniert und Mitarbeiter entlassen. Ersteres verbietet sich bei Parteien, vor dem Zweiten haben sie Angst. Und an inhaltliche Reformen, an eine schonungslose Analyse der Ursachen des Schrumpfens, trauen sie sich nicht heran.

Das führt uns das eigentliche Dilemma vor Augen. Der – heilsame – Zwang zur Selbstbesinnung der Parteien ist längst noch nicht stark genug. Warum? Ganz einfach: Das bestehende System der Kostenerstattung wirkt leider so komfortabel, dass es auch noch bei einer Wahlbeteiligung von 19 Prozent funktioniert.

Gerd Appenzeller

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