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© dpa-Zentralbild

Paul Nolte: "Religion muss gesellschaftsfähig werden"

Paul Nolte ist Professor für Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin und der Star einer neuen bürgerlichen Elite. Jetzt wird gerade er Präsident der Evangelischen Akademie in Berlin.

Wenn man liest, was Paul Nolte so geschrieben hat, wundert man sich schon, dass er nun Präsident der Evangelischen Akademie in Berlin wird, dass gerade er Anfang Oktober dieses Amt als Nachfolger des Publizisten Robert Leicht übernimmt.

Der 46-Jährige, der von sich selbst sagt, er sei „neokonservativ mit Sympathie für schwarz-grüne Bündnisse“, ist zum Star einer neuen bürgerlichen Elite avanciert. Zur Freude nicht nur der Kirchen haben Nolte und andere Jungakademiker in den vergangenen Jahren triumphierend das Ende der postmodernen Beliebigkeit ausgerufen und ihre Sehnsucht nach Gewissheit und Bindung zum Ausdruck gebracht. Viele haben aus dieser Sehnsucht heraus gar ihr Gespür für Religion entdeckt.

Paul Nolte ist Professor für Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin. Er gibt sich aber nicht damit zufrieden, in Archiven staubige Akten zu heben. Mit Essays und Fernsehauftritten mischt er sich in gesellschaftliche Debatten ein. Wobei in seinen Interventionen höchst produktiv der Wunsch nach der Freiheit des Einzelnen mit dem konservativen Wunsch nach Bindung und Zugehörigkeit kollidiert. So fordert der telegene Intellektuelle etwa in einem Aufsatz zur aktuellen Wirtschaftskrise provokativ den „Abschied von der Gerechtigkeit“. Schließlich könne nicht jeder alles haben, und dass die soziale Herkunft, die Prägung des Elternhauses, Kindern Unterschiedliches mitgibt, sei doch etwas sehr Legitimes. „Beschämend“ wäre vielmehr, wenn bildungsbürgerliche Eltern ihren Kindern nicht ihr „Mehr“ an Kulturkompetenz mit auf den Weg geben würden.

So etwas hören Sozialromantiker nicht gerne. Auch in der evangelischen Kirche macht man sich damit nicht gerade beliebt. Mit seinen provokativen und intellektuell anregenden Einlassungen dürfte es bei den Akademieabenden jedenfalls nie langweilig werden. Und damit ist schon sehr viel erreicht.

Nolte provoziert auch nie um der Provokation willen, sondern weil er die Gesellschaft und künftig auch die Kirche weiterbringen will. Kirchen und religiöse Netzwerken stellen einen riesigen Schatz für die Gesellschaft dar, findet Nolte. Keine andere Organisation biete jenseits des Staates so viele soziale Dienste. Das werde nicht genug gewürdigt. Nolte will das ändern und Religion „gesellschaftsfähig“ machen. Er will die „Peinlichkeitsschwelle“ senken. Über Religion müsse wieder gesprochen werden. Claudia Keller

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