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Meinung: PDS-Parteitag: Mund-zu-Mund-Beatmung

Schlimmer hätte es für die PDS nach ihrem Desaster beim letzten Parteitag in Münster kaum laufen können. Ihre designierte neue Vorsitzende Gabi Zimmer blieb wochenlang so blass, dass sie jenseits der eigenen Partei kaum öffentlich wahrgenommen wurde.

Schlimmer hätte es für die PDS nach ihrem Desaster beim letzten Parteitag in Münster kaum laufen können. Ihre designierte neue Vorsitzende Gabi Zimmer blieb wochenlang so blass, dass sie jenseits der eigenen Partei kaum öffentlich wahrgenommen wurde. Der Weg der PDS blieb weiter nebelhaft, unverbindlich. Signale, ob die neue Führung sich klar von den Dogmatikern in der Partei, zu den Ostalgikern aus der alten SED-Führungsriege und zur Kommunistischen Plattform abgrenzen will, gibt es von der neuen Chefin bislang nicht. Die Reformer besetzen zwar die Spitzenpositionen. Aber unsicher ist, ob und wie weit die Partei ihnen folgt. Kein attraktives Bild, das die PDS bei Lichte besehen bietet.

Doch wenige Tage vor dem Cottbuser Parteitag, auf dem an diesem Wochenende die neue Führung gewählt wird, kam die Rettung. Ausgerechnet Bundeskanzler Gerhard Schröder war es, der den Genossen von der PDS die benötigte Überlebenshilfe gab. Was mag Schröder geritten haben, ausgerechnet in dieser Situation mit dem scheidenden PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky essen zu gehen. Der Kanzler weiß, welche politische Symbolik dieses Tête-à-tête haben musste. Rot-Rot ist plötzlich das Thema. Niemand fragt mehr, wie viel Rückhalt Reformer wie der Vater der SPD/PDS-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, in den eigenen Reihen überhaupt noch haben. Zwar wird in Kommunen und Ländern pragmatisch regiert und toleriert. Doch neben den Taten wird in Worten immer wieder die "Systemopposition" beschworen, damit auch die dabeiblieben, die mit Rechtsstaat und sozialer Marktwirtschaft nichts anfangen mögen.

Das gaukelt einen Konsens vor, den es in der PDS nicht mehr gibt. Die Sozialdemokraten aber genießen den Flirt mit den Reformern an der Spitze der PDS so, dass sie das gern übersehen. Ihre Zuwendung hauchte der Konkurrenzpartei plötzlich wieder Leben ein, als sie am internen Richtungsstreit und an Langeweile zu ersticken drohte. Eine politische Dummheit des Kanzlers? Oder doch: nüchternes Kalkül?

Schröders Generalsekretär Franz Müntefering behauptet Letzteres. Nur welche Strategie steckt dahinter? Die SPD plant die Umarmung der Reformkräfte, um sie am Ende zu erdrücken. Ein Mann wie Holter fände mit seiner Politik heute gewiss bereits zu 90 Prozent Zustimmung auf sozialdemokratischen Parteiveranstaltungen. Viele seiner Wähler sind auch potenzielle Wähler der SPD. Die will Schröder für die SPD gewinnen, vielleicht auch manchen Reformer als neuen Genossen in der SPD. Aber Holter und Gregor Gysis Nachfolger als PDS-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Roland Claus, sind nicht die PDS.

Der Kanzler wertet mit seiner Wendung zur PDS ohne Not auch die auf, die eine ganz andere Republik wollen. Dabei begann der Nimbus der PDS sogar im Osten zu bröckeln. Fast ein Drittel der eigenen Anhängerschaft bezweifelt, dass die PDS ohne Gysi wieder in den Bundestag kommt. Schröder brachte die Wende. Spekulationen über rot-rote Bündnisse lenken ab von den internen Klärungsprozessen, die viele in der PDS mehr fürchten als alles andere. Gysi hat bei seinem Abschied nicht ohne Grund verlangt, die Trennlinien zu denen klarer zu ziehen, die statt von Reform immer noch von Revolution träumen. Passiert ist nichts.

Auf dem Cottbuser Parteitag wird sich zeigen, ob die neue Führung endlich klare Trennlinien zieht. Bleibt alles, wie es ist, wird der Niedergang der PDS sich ohne Bisky und Gysi beschleunigen. Dann haben nicht nur die PDS-Reformer verloren. Auch Schröder wird sich dann fragen lassen müssen, warum er eine Partei retten will, die sich nicht für die Bundesrepublik entscheiden mag.

Carsten Germis

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