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Meinung: PDS-Programm: Vom Sozialismus nochmal träumen

Die vorgezogene Berliner Wahl vom 21. Oktober ist wichtig, gewiss doch.

Die vorgezogene Berliner Wahl vom 21. Oktober ist wichtig, gewiss doch. Für die Stadt und ihre Bürger. Für die Parteien. Ganz besonders aber für die PDS. Für die ist die Berlinwahl wie eine vorgezogene Bundestagswahl. Rot-Grün auf Bundesebene gibt es ja schon. Aber der Ausbruch der Sozialisten aus dem Ost-Berliner Wählerghetto, die Tolerierung eines Wowereit-Senates oder gar eine Regierungbeteiligung in der Hauptstadt, das wäre wie Morgenröte am Horizont des nächsten Bundestagswahltermins.

Weil man das alles weiß, wird die PDS immer neuen Lackmustests unterzogen. Verdammt sie die Mauer? Entschuldigt sie sich bei den Opfern des Stalinismus? Bekennt sie, dass die Mitgliedschaft in der SED eine Sünde war? Nichts von alledem gesteht die Partei wirklich überzeugend ein. Die Partei, die sich hinter Gregor Gysi duckt, als zöge sie hinter ihm her wie sein Schatten. Aber den Schatten wirft die Partei und nicht ihr Spitzenkandidat. Wir sehen es nicht, weil wir die falschen Fragen stellen. Die richtige wäre: Was will die PDS eigentlich?

Die Antwort kann nur den überraschen, der sich statt mit dem Programm der Partei lediglich mit der zwar wichtigen, aber nicht alle anderen Zweifel ausräumenden Entschuldigungsdebatte befasst. Zwischen dem geltenden Parteiprogramm aus dem Januar 1993 und dem jetzt diskutierten Entwurf für den nächsten Parteitag gibt es einige formale, aber erstaunlich wenige inhaltliche Unterschiede. Die PDS, wie sie sich selbst sieht, ist eine sozialistische Partei geblieben. Deshalb will sie auch sozialistische Politik machen. Das ist legitim. Aber dem Wähler muss das bewusst sein. Es hätte einschneidende Folgen für ihn, wenn die PDS mit regierte. Es käme dann zum zweiten Versuch in Deutschland, eine Utopie in praktische Politik umzusetzen. Das erste Unterfangen dieser Art ist, da hat die PDS nach wie vor keinen Zweifel, nicht an grundsätzlichen Denkfehlern, sondern an den Umständen und an menschlichen Schwächen gescheitert. Wenn aber allein die Praxis und nicht die Theorie falsch war, kann man es ja beherzt noch einmal wagen.

Der Entwurf des Parteiprogramms offenbart, dass die PDS die Zeit dazu für gekommen hält. Man müsse nur, so erfahren wir, "die emanzipatorischen Potenziale der gegenwärtigen sozialen, kulturellen und politischen Umbrüche für eine gerechtere Welt" freisetzen. Da die PDS sich heute als Teil einer von ihr freilich deutlich nach links verrückten neuen Mitte empfindet, segelt sie auf dem main stream eines Zeitgeistes mit, dem Globalisierung und Neoliberalismus gleichermaßen unheimlich sind. "Die Wegwerfgesellschaft wirft auch Menschen weg", lesen wir dazu sehr eingängig. Eine öffentlich geförderte Beschäftigung in gemeinnützigen Bereichen als dritter großer Wirtschaftsfaktor neben Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst muss Abhilfe schaffen. Hier wie auch an vielen anderen Stellen offenbart sich, was die PDS schon 1993 umtrieb: Die verhasste, kapitalistische Bundesrepublik solle nun zügig und entschlossen alle vergebens geträumten Visionen aus DDR-Zeiten in die Realität umsetzen.

Die PDS will einen radikalen Gegenentwurf zum heutigen, weitgehenden Konsens zwischen SPD, CDU/CSU, FDP und Grünen. Ihr Bild einer sozialistischen Gesellschaft verbindet Elemente der einstigen DDR mit solchen des schwedischen Wohlfahrtsstaats der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Wo und wie beide Modelle einer vermeintlich gleichberechtigten Teilhabe endeten, wissen wir. Natürlich darf man immer wieder träumen. Aber Politik sollte man das dann nicht nennen.

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