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Meinung: „Polen braucht Neuwahlen“

Der Mann der freundlichen Worte zeigt sich in ungewöhnlicher Angriffslaune. Polen brauche eine Regierung, die in der Welt geschätzt werde und für die man sich „nicht schämen“ müsse, begründet Oppositionschef Donald Tusk seine Forderung nach einem frühzeitigen Urnengang.

Der Mann der freundlichen Worte zeigt sich in ungewöhnlicher Angriffslaune. Polen brauche eine Regierung, die in der Welt geschätzt werde und für die man sich „nicht schämen“ müsse, begründet Oppositionschef Donald Tusk seine Forderung nach einem frühzeitigen Urnengang. Seine Landsleute benötigten Normalität: „Wir wollen Neuwahlen – und eine bessere Regierung.“

Heute will der Chef der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) darum die Selbstauflösung des Parlaments beantragen, voraussichtlich am Freitag wird abgestimmt. Doch auch wenn Premier Jaroslaw Kaczynski von der nationalkonservativen PiS nach dem Rauswurf der Bauernprotestpartei Samoobrona noch immer nach einer neuen Koalitionsmehrheit fahndet, gelten die Erfolgsaussichten der Attacke als gering. Denn nur wenn 300 der 460 Abgeordneten für den Antrag votieren, könnten die Polen noch in diesem Jahr zu den Urnen schreiten. Ohne Stimmen von PiS-Abgeordneten lässt sich das kaum verwirklichen. Zwar sind die Winkelzüge von Kaczynski kaum vorhersehbar. Doch angesichts fallender Umfragewerte setzt er eher auf Zeit.

Wie die Kaczynski-Zwillinge war Tusk bereits als Geschichtsstudent zu Zeiten der sozialistischen Volksrepublik im Untergrund aktiv, zählte aber zum liberalen Flügel der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Nach der Wende von 1989 war er stellvertretender Vorsitzender der liberalen Freiheitsunion (UW). Obwohl seine Großeltern in den Konzentrationslagern Stutthof und Neuengamme einsaßen, machte sich der zu der Minderheut der Kaschuben zählende Tusk stets für eine Aussöhnung mit den Nachbarn stark: Der deutschen Vorkriegsgeschichte seiner Geburtsstadt widmete der 49-Jährige in den 90er Jahren gar einen selbst zusammengetragenen Fotoband.

2001 gründete er mit Gleichgesinnten die wirtschaftsliberale PO. Zwar entwickelte sich die Partei unter seiner Führung zur stärksten Oppositionspartei, musste aber als Favorit im Wahlherbst 2005 zwei empfindliche Niederlagen kassieren: Sowohl bei der Parlaments- als auch bei der Präsidentschaftswahl triumphierte die von den Kaczynski-Zwillingen geführte PiS. Vermutlich wird sich der oft als „zu weich“ kritisierte Tusk mit dem ersehnten Sprung an die Macht noch ein wenig gedulden müssen. Die Hoffnung auf seinen ersten Wahltriumph hat der zweifache Familienvater angesichts steigender Popularitätswerte keineswegs aufgegeben.

Thomas Roser

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