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Sieben Tage lang steht Berlin im Zeichen der Musik.

© ddp

Popmusik: Berlin Music Week: Euphorie trotz Krise

Bei der Berlin Music Week soll gefeiert werden: Mit der weltweit einzigartigen Mischung aus niedrigen Lebenshaltungskosten und einer vielfältigen Clublandschaft hat Berlin eine Strahlkraft entwickelt, die Fans wie Musiker anlockt.

Die Lage ist hoffnungslos, aber die Stimmung könnte kaum besser sein. Auf diese paradoxe Formel lässt sich die Situation der deutschen Popbranche bringen. Die Goldgräberzeiten sind lange vorbei. Seitdem Raubkopiererei und illegale Downloads den CD-Umsatz haben einbrechen lassen, mussten sich Musiker und Manager gewissermaßen in der Dauerkrise einrichten. Der deutsche Musikmarkt schrumpft seit 2004 stetig, von 1999 bis 2009 ging der Umsatz um 42 Prozent zurück. Zwar verkündete der Bundesverband der Musikindustrie soeben, dass immer mehr Musikfans für ihre Downloads auch bezahlen. Im ersten Halbjahr 2010 stiegen die Erlöse aus dem Geschäft im Internet um 40 Prozent. Doch diese Gewinne reichen noch lange nicht, um die Verluste bei den Verkäufen von physischen Tonträgern zu kompensieren.

Bei der Berlin Music Week, die am Montag beginnt, soll trotzdem gefeiert werden. Denn obwohl sich die Ära der Plattenmillionäre ihrem Ende zuneigt, bleibt Pop das Medium der Euphorie, und in Deutschland gibt es derzeit keinen anderen Ort, an dem diese Euphorie so zu Hause ist wie in Berlin. Mit ihrer weltweit einzigartigen Mischung aus niedrigen Lebenshaltungskosten und einer vielfältigen, vom Kreuzberger Hinterhofschuppen bis zum Technotempel Berghain reichenden Clublandschaft hat die deutsche Hauptstadt eine Strahlkraft entwickelt, die Fans wie Musiker anlockt. Stars wie die Scissor Sisters, Phoenix oder Joe Jackson reisen an, um sich vom Sound der Metropole inspirieren zu lassen. Zuletzt hatte sich die amerikanische Großrockband REM wochenlang im legendären Hansa-Studio eingemietet, um ein neues Album aufzunehmen.

Welche Krise? Gutes Geld lässt sich in der Musikbranche derzeit vor allem mit Konzerten verdienen. Denn während der Tonträgermarkt, abgesehen von einigen teilweise spektakulären Ausnahmen, schwächelt, boomt das Livegeschäft. Diese neue Branchenarithmetik spiegelt sich auch auf der Berlin Music Week wider. Die Popkomm, einstmals wichtigster Treffpunkt für die Macher der Musikindustrie, ist nun auf drei Tage zusammengeschrumpft und eingebettet in ein buntes, die ganze Stadt umfassendes Party- und Festivalprogramm. Statt 840 Ausstellern aus 52 Ländern wie noch 2008 haben sich auch nur noch gut die Hälfte angemeldet, 430 aus 20 Ländern. 2009 war die Messe mangels Nachfrage ganz abgeblasen worden. Und ein Label wie City Slang, das immerhin Bands wie Calexico und Arcade Fire in Deutschland durchsetzte, verzichtet lieber auf einen Messestand und präsentiert stattdessen seine Nachwuchshoffnungen auf einer Bühne.

Mit dem Umzug auf das stillgelegte Flughafengelände in Tempelhof hat die Popkomm die Chance, sich neu zu erfinden. Das ist auch bitter nötig, denn seit ihrem Umzug aus Köln 2004 war die Messe nie richtig in Berlin angekommen. Ihr alter Standort auf dem Messegelände war zu weit abgelegen von der musikalischen Infrastruktur der Stadt, die Berliner Club- und Konzertgänger hatten den Eindruck, dass die Branche dort lieber unter sich bleiben wollte. Sieben Tage lang, von Montag bis Sonntag, weht nun Musik durch die Berliner Luft, nicht nur auf dem ehemaligen Rollfeld von Tempelhof, sondern auch in den Clubs von Kreuzberg und Mitte und in den Jazzkneipen von Charlottenburg und Köpenick. Also: Ohren auf!

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