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PORTRÄT ALEXANDER MILINKEWITSCH: „Wir müssen die Angst überwinden“

Sie haben ihn rausgelassen, immerhin. Alexander Milinkewitsch, der Führer der Opposition der letzten Diktatur in Europa, ist über die Grenze nach Polen gekommen, um von dem Protest zu berichten, der seit Tagen das öffentliche Leben in Weißrussland lähmt – und, wie er hofft, Machthaber Lukaschenko gefährlich werden könnte.

Aus dem Widerstand hunderter Kleinunternehmer gegen ein neues Steuergesetz wuchsen seit Ende Dezember Unruhen heran, die am heutigen Montag trotz Repressalien der Behörden in eine Großkundgebung münden sollen. Das strittige Gesetz benachteiligt die Kleinhändler gegen große westliche Supermarktketten: Seit dem 1. Januar dürfen sie außer Familienangehörigen keine Arbeitskräfte mehr einstellen. „Mit dem Geld für die Konzessionen will sich die Machtclique bereichern“, sagt Milinkewitsch. Auf der nur im Internet angekündigten Kundgebung erwartet der Oppositionsführer heute über 10 000 Menschen.

Milinkewitsch stellt sich ausdrücklich hinter die Anliegen der Demonstranten. Der 59-jährige Physiker, der mit einer Arbeit über „überstarke Laserimpulse“ promoviert hat, sympathisierte von Anfang an mit der Opposition gegen den seit 1994 herrschenden Lukaschenko, dessen Machtapparat er als „Clique der Angst“ bezeichnet. 2006 trat er erfolglos bei den gefälschten Präsidentschaftswahlen an. Unabhängige Bewegungen sind verboten, freie Medien gibt es nicht, und im Staatsfernsehen gebe es „nur ein Programm, und das heißt: Angst vor Veränderung schüren“. In einem Land ohne starke nationale Identität und mit verbreiteter Sehnsucht nach der Sowjetunion war das lange erfolgreich. Und viel hat sich ohnehin nicht geändert: Den KGB gibt es immer noch, die Privatisierung der Großbetriebe ist weitgehend ausgeblieben, und Öl und Gas kommen zu – jüngst gestiegenen – Vorzugspreisen aus Russland. Zwar verbindet Präsident Putin und Diktator Lukaschenko eine herzliche Abneigung, seitdem der Weißrusse von einer Wiedervereinigung beider Länder unter seiner Führung träumte. Doch Putin ist ein stalinistischer Vorposten an der Nato- und Schengengrenze ganz recht.

Die Gewinnmargen für Lukaschenkos Machtklüngel, der russische Ölprodukte veredelt und nach Westen verkauft, werden jedoch immer niedriger. Milinkewitsch wittert darin eine Chance. 70 Prozent der Weißrussen wollten Veränderung, sagt er. Und: „Wir müssen die Angst überwinden“.

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