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PORTRÄT ARIK ASCHERMAN RABBINER UND AKTIVIST:: „Wir kämpfen um die Seele der Religion“

Rabbiner Arik Ascherman ist stolz, Jude zu sein. „Judaismus bedeutet Gerechtigkeit“, sagt der in Pennsylvania aufgewachsene Reform-Rabbiner, der nach dem Studium in Harvard zur Sozialarbeit nach Israel kam.

Rabbiner Arik Ascherman ist stolz, Jude zu sein. „Judaismus bedeutet Gerechtigkeit“, sagt der in Pennsylvania aufgewachsene Reform-Rabbiner, der nach dem Studium in Harvard zur Sozialarbeit nach Israel kam. Hier erwarteten ihn zwei Schocks: Der hochgewachsene Amerikaner wunderte sich, dass es in einem jüdischen Staat nicht an jeder Straßenecke Bagel zu kaufen gibt. Aber der nachhaltigere Schock war die Erkenntnis, dass die von ihm verinnerlichten Grundsätze des Judentums „nicht von allen Israelis geteilt werden“. Das zeige sich im Umgang mit sozial Schwachen und mit Minderheiten. Und vor allem mit den Palästinensern in den von Israel besetzten Gebieten.

„Wir hatten vor 64 Jahren einen Traum“, sagt Ascherman im Hinblick auf die Staatsgründung Israels 1948, „aber bei den Menschenrechten haben wir definitiv nicht das erreicht, was wir uns vorgenommen hatten.“ Daher hat sich die von ihm 1988 mitbegründete Organisation „Rabbiner für Menschenrechte“, in der Reformjuden, orthodoxe und konservative Juden arbeiten, zwei Aufgaben gestellt: Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und den „Mitbürgern in Israel ein anderes Verständnis des Judentums zu vermitteln“.

Aus einem moralisch-religiösen Antrieb heraus machen die Rabbiner hochpolitische Arbeit. So begleitet Ascherman palästinensische Bauern auf ihre Felder, um sie vor Angriffen radikaler jüdischer Siedler zu schützen. „Dabei kommt es dann zu kuriosen Situationen wie jener, als wir mit religiösen Siedlern, die die palästinensische Ernte zerstören wollten, mitten in einem Olivenhain eine Disputation darüber hatten, was die jüdische Tradition zu Eigentumsrechten für Nichtjuden in Israel bedeutet.“

Besorgt beobachtet Ascherman „rassistische“ Haltungen gerade auch bei religiösen Juden. Für viele gelten die zwischenmenschlichen Gebote ihrer Religion nur für das Miteinander von Juden, nicht im Umgang mit allen Menschen, kritisiert Ascherman, der sich zum Konzept universeller Menschenrechte bekennt. Für seine Arbeit wurde der 53-Jährige, dessen in Israel geborene Frau ebenfalls Rabbinerin ist, mit dem Leibowitz–Preis und dem Ghandi-Friedenspreis ausgezeichnet. Jene verengte Haltung bedroht laut Ascherman den Kern der Religion und die Demokratie in Israel. „Die jüdische Mehrheit bestimmt über die Minderheit der 1,5 Millionen Israelis palästinensischer Abstammung.“ Eine solch „simple“ Lesart der Demokratie sei gefährlich. Andrea Nüsse

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